Rund um inhaftierte Geschäftsleute
Schweizer Geheimdienstambitionen in Libyen
In der Schweiz gibt es nach Beendigung der Krise mit Libyen Aufregung um Einzelheiten rund um die Inhaftierung zweier Geschäftsmänner. Zuletzt wurde bekannt, dass die Schweiz mit einer militärischen Geisel-Befreiungsaktion in Libyen geliebäugelt hat.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 26.06.2010
Schlecht für Krisen gerüstet
Die langwierige diplomatische Krise zwischen der Schweiz und Libyen, die zuweilen skurrile Züge hatte, ist zwar mittlerweile beendet: der Schweizer Geschäftsmann, der fast zwei Jahre lang quasi als Geisel in Libyen festgehalten wurde, ist daheim. Wenige Monate vorher konnte ein zweiter Geschäftsmann, der ebenfalls monatelang in Libyen festsaß, ausreisen.
Doch die innenpolitische Aufarbeitung der Affäre in der Schweiz beginnt erst und sie schlägt hohe Wellen: zuletzt wurde bekannt, dass die Schweiz mit einer militärischen Geisel-Befreiungsaktion in Libyen geliebäugelt hat - ein riskanter Einsatz, der wohl schlimm geendet hätte. Nun tobt ein Streit über diese Einsatzpläne und darüber, wer in der demütigenden Krise mit Libyens Machthaber Gaddafi wofür verantwortlich ist. Gleichzeitig wird klar, wie schlecht die Schweiz für außenpolitische Krisen gerüstet ist.
Geheime Einsatzpläne
Kaum war die diplomatische Krise mit Libyens Staatschef Gaddafi beendet, platzte in der Schweiz neuerlich eine Bombe. Offenbar gab es geheime Einsatzpläne für eine militärische Befreiungsaktion von zwei Schweizer Geschäftsleuten, die Gaddafi in Libyen festsetzen ließ, nachdem sein Sohn in Genf wegen mutmaßlicher Körperverletzung kurzzeitig verhaftet worden war.
Die Details der geplanten Kommando-Aktion sind unklar und werden es wohl bleiben. Dazu Verteidigungsminister Ueli Maurer, die Fragen würden der Geheimhaltung unterliegen.
Fatale Folgen
Man mag sich kaum vorstellen, wie desaströs ein militärischer Angriff der kleinen Schweiz auf dem feindlichen Gebiet des libyschen Wüstendiktators hätte enden können. Der Militärexperte der Neuen Zürcher Zeitung, Bruno Lezzi erinnert denn auch an eine gescheiterte Geisel-Befreiungsaktion der USA 1980 im Iran: diese Operation sei im Sande steckengeblieben, das wäre eine schreckliche Sache für die Schweizer Regierung geworden.
Rücktritt verlangt
Die Schweizer Regierung betont jedoch, dass die Prüfung eines Militäreinsatzes in Libyen rechtlich korrekt und auch notwendig gewesen sei. Letztendlich wurde der Einsatz jedoch abgeblasen, warum, ist unklar. Ebenso schleierhaft ist, wer in der Regierung was wann wusste. Die Pläne wurden im Verteidigungs- und Außenministerium ausgeheckt, die Gesamtregierung erst später informiert. Nun verlangt der Präsident der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, Toni Brunner, den Rücktritt der sozialdemokratischen Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Ein solcher Militärschlag hätte ungeahnte Folgen haben können, argumentiert er.
Schlechtes Management
Hintergrund des Hickhacks ist aber nicht nur die geplante Militäraktion in Libyen, sondern dass nun endlich geklärt werden muss, wer in der oft so peinlichen Libyen-Affäre Verantwortung übernehmen muss. Allzu oft wurde die Schweiz von Gaddafi gedemütigt und vorgeführt, jetzt gilt es die Fehler in der Krisenbewältigung zu finden.
Unterdessen ist die Libyen-Krise nur ein Beispiel dafür, wie schlecht die Schweiz generell mit außenpolitischen Herausforderungen umgehen kann. Ob es das Bankgeheimnis ist, der Steuerstreit mit den USA oder nun der Libyen-Konflikt: Die eigentlich zum Konsens verpflichtete Allparteien-Regierung ist schwach und zerstritten, die einzelnen Minister sind überfordert. Das ist die Folge des politischen Systems der Volksdemokratie, in welchem die Position der Regierung gewollt schwach ist. Da sind kaum weitblickende Strategien möglich.
Kritiker verlangen längst, dass das veraltete Regierungssystem reformiert werden muss. Vor allem die außenpolitischen Kompetenzen sollen gestärkt werden. So soll der Bundespräsident, der die Beziehungen nach außen pflegt, nicht wie bisher nur ein Jahr, sondern länger im Amt bleiben. Noch ist offen, wie sich die Schweizer Regierung für künftige außenpolitische Krisen wappnen wird. Fest steht, die leidige Libyen-Affäre ist -zumindest innenpolitisch- noch nicht ausgestanden.