Preise nicht überall erhöht

Spanien erhöht Mehrwertsteuer

Im Kampf gegen die Schuldenkrise hat Spanien mit Anfang Juli die Mehrwertsteuer erhöht. Noch haben nicht alle Unternehmer ihre Preise entsprechend angehoben.

Mittagsjournal, 02.07.2010

Nicht alles wird teurer

Eine Umfrage an der Kassa eines Supermarkts in Madrid zeigt, dass die gestern in Kraft getretene Erhöhung der Mehrwertsteuer von den Kunden unterschiedlich empfunden wird. Eine Hausfrau, die vor einer Woche die gleichen Waren kaufte, konstatiert eine Preiserhöhung.

Anders ein Pensionist, der einen zur Hälfte gefüllten Einkaufswagen vor sich herschiebt: er kann keine Teuerung erkennen.

Kampfplatz Lebensmittelhandel

Tatsächlich nützen einige Supermarkt-Ketten die Anhebung des Steuersatzes von 16 auf 18 Prozent für eine Werbekampagne: Die deutsche Lidl-Gruppe verspricht in Inseraten, die Mehrbelastung nicht auf ihre Kunden abzuwälzen und hat die Preise in den Regalen vor dem Stichtag 1. Juli von einem Notar aufnehmen lassen. So will man den Beweis erbringen, dass die Erhöhung auf Kosten des Großhändlers geht.

Die baskische Handelskette Eroski hat eine Broschüre aufgelegt, in der dasselbe Versprechen – „keine Preiserhöhung“ – gemacht wird. Außerdem liefert das Heft Informationen über die Steuern im europäischen Vergleich: so zum Beispiel, dass Albanien die höchste Mehrwertsteuer Europas einhebt – nicht weniger als 45 Prozent – und Luxemburg mit 7,6 Prozent die niedrigste. Francisco Diaz ist der Filialleiter: „Wir haben von der Direktion keinerlei Verständigung bekommen, dass die Preise steigen. Wenn überhaupt wird die Steigerung nur allmählich angewendet werden.“

Bei Kunden und Konsumentenschützern ist seit der Einführung des Euro gerade dieser Effekt besonders gefürchtet: wie bei der Umrechnung der Preise von der Peseta auf den Euro vor acht Jahren erwarten sie ein „Aufrunden“ der Preise nach oben, die „schleichende“ Verteuerung, die sich erst in den nächsten Monaten, dafür aber nachhaltig auswirken wird.

Konsum könnte leiden

Der Sprecher des Handelsverbandes Miguel Angel Fraile: „Ab September, Oktober oder November wird sich die steuerliche Belastung von Transport und Neuwaren natürlich auf die Endpreise auswirken.“ Mehreren Millionen Kunden flatterte gestern die Telefonrechnung in Haus. Obwohl die Leistungen noch vor dem 1. Juli erbracht wurden, wird rückwirkend der erhöhte Steuersatz verrechnet. Die Konsumentenschützer haben Protest angekündigt.

Fachleute sagen voraus, dass die Steuererhöhung für Güter des täglichen Gebrauchs wie Bekleidung und Lebensmittel Spaniens Familien mit über hundert Euro jährlich belasten wird. Die Mehrausgaben, so die Experten, könnten sich negativ auf das Konsumverhalten auswirken und das Wirtschaftswachstum bremsen.

Ileana Izverniceanu ist Sprecherin der Konsumentenvereinigung OCU. „Die Erhöhung ist ein schwerer Schlag für die Finanzen der Familien und wir glauben, dass sie den Konsum deutlich abschwächen wird.“ Nur Autohändler haben Grund, sich vorläufig über die Steuererhöhung zu freuen. Sie konnten im Juni 15.000 Fahrzeuge absetzen. Vorgezogene Käufe bescherten ihnen ein Umsatzplus von 25 Prozent.