USA und Russland tauschen Spione aus

Wie im Kalten Krieg

Nicht einmal zwei Wochen nach Bekanntwerden der Affäre scheint sie auch wieder beendet zu sein: Am Donnerstag unterschrieben zehn russische Agenten in den USA Schuldeingeständnisse. Schon jetzt dürften sie auf dem Weg nach Russland sein. Im Gegenzug will Russland vier als Doppelagenten einsitzende Spione freilassen.

USA: Zehn russische Spione freigelassen.

Morgenjournal, 9.7.2010

Schnellverfahren gegen Spione

USA: 10 - Russland: 4. Das Ergebnis im Spionage-Austausch-Spiel steht fest. Die Russen bekommen ihre zehn in den USA verhafteten Staatsbürger per Luftfracht, dafür dürfen vier Personen, die in Russland wegen Spionage einsitzen, den Weg gegen Westen antreten.

Alles ging am Donnerstag sehr schnell vor dem Gericht in Manhattan: Die zehn Agenten - der Spionage wurden sie nicht angeklagt, wohl aber als Agenten bezeichnet - unterschrieben alle ein vorgefertigten Schuldanerkenntnis. Nämlich dass sie im Auftrag der russischen Föderation in den USA tätig gewesen seien ohne dies den Behörden gemeldet zu haben. Darauf stehen fünf Jahre Haft in den USA.

Society-Girl mit Agentenausbildung?

Verzicht auf sämtliche Vermögenswerte, ewiges Einreiseverbot und die Zusage, gegen diese Schnellurteile nicht zu berufen - fertig war der Spionagedeal. Dazu wurden noch die richtigen Namen bekannt - Richard Murphy heißt in Wahrheit Vladimir Guryev, aus Tracy Ann Foley wurde Elene Vavilova und der Mann, der sich zehn Jahre lang Donald Heathfield nannte, heißt in Wahrheit Andrey Bezrukov.

Die schillernste Figur der zehn, die im Internet zu Berühmtheit gelangte Society Girl Anna Chapman, wurde weiterhin mit Anna Chapman gelistet. Ihr Anwalt zeigte sich nach dem Deal mit den US-Behörden erleichtert. Also sechs Monate im Gefängnis, das hätte seine Mandantin nicht mehr ausgehalten, sagte der Advokat vor dem Gerichtsgebäude - was nicht wirklich für eine knallharte Agentenausbildung spricht.

Beziehungen nicht beschädigen

Abseits der doch skurrilen Vorgänge liegt dem Deal zwischen den USA und Russland natürlich harte Realpolitik zugrunde. Der amerikanische Generalstaatsanwalt Eric Holder machte auch gar kein Geheimnis daraus, warum die USA die zehn so schnell und ohne weitere Verfahren in die Heimat hinter dem Ural schicken: Wir wollten das so schnell wie möglich hinter uns bringen, sagt Holder, damit sich diese Affäre nicht negativ auf die sich so gut Entwickelnden US -Russischen Beziehungen auswirkt.

Ein Spion in Wien?

Bestätigung gibt’s keine, dafür aber Augenzeugen: Ein in Russland festgehaltener Agent, der Waffenspezialist Igor Sutjagin, soll offenbar in Wien angekommen sein. Der Sprecher des Innenministeriums, Rudolf Gollia, meinte dazu, dass er das nicht bestätigen aber auch nicht dementieren könne, die österreichischen Behörden seien darüber nicht informiert worden. Geheimhaltung bis zum Schluss bei der Reallife Variante von Spion gegen Spion.

Russland: Vier Agenten begnadigt.

Morgenjournal, 9.7.2010

Der Ärger in Moskau ist verflogen

Auch in Moskau versucht man, die Agentengeschichte möglichst rasch über die Bühne zu bringen. Zunächst hatte man dort ja mit Verärgerung reagiert. Und zwar nicht, weil die Mitarbeiter des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR enttarnt wurden - das gehört zum Risiko dieses Geschäfts - sondern weil der Rummel um die schöne Agentin Anna Chapman und ihre Kollegen das Reset-Programm, also die grundlegende Neuausrichtung der russisch-amerikanischen Beziehungen, zu gefährden drohte.

Russland begnadigt vier Spione

Der Fall wurde - sicher in peinlich genauer Abstimmung mit den USA - zur Chefsache erklärt und rasch gelöst: In der Nacht auf heute hat Präsident Dmitri Medwedjew einen Erlass unterzeichnet, mit dem der CIA Agent und Nuklear-Experte Igor Sutjagin und drei weitere Spione, Alexander Saporoschski, Gennadi Wassilenko und Sergej Skripal, begnadigt werden.

Damit hat Russland formell den Weg zum Austausch der Agenten frei gemacht. Das russische Außenministerium erklärte dazu: Die Einigung im Eiltempo zeige den neuen Geist der russisch-amerikanischen Beziehungen und das hohe Niveau des gegenseitigen Verständnisses der Präsidenten beider Länder.

Spionageauftrag unklar

Aus den Nachwuchsagenten Donald und Tracy werden nun wieder Andrej und Jelena, aus den Murphys von nebenan werden wieder Wladimir und Lydia Gurjew. Was die zehn relativ jungen Leute in den Vereinigten Staaten herausgefunden haben, bzw. perspektivisch hätten herausfinden sollen, ist nach wie vor unklar, was hingegen Igor Sutjagin vorgeworfen wird, lässt sich zumindest in der russischen Version nachvollziehen.

U-Boote und Raketenabwehr

Sutjagin wurde 1999 verhaftet und 2004 verurteilt. Er soll Informationen zur russischen Atom-U-Bootflotte und zu einem Raketenabwehrsystem an eine britische Firma verkauft haben, der ein Naheverhältnis zur CIA nachgesagt wird. Von Sergej Skripal weiß man, dass die russischen Behörden ihm vorgeworfen haben, für den britischen Geheimdienst zu arbeiten. Er wurde dafür 2006 zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Zurück zur Normalität?

In Moskau will man die Sache nun rasch zu den Akten legen. Medwedjews Plan mit amerikanischer Hilfe in der Nähe von Moskau ein Hochtechnologiezentrum in der Art von Silicon Valley entstehen zu lassen, wurde beschädigt, noch ehe der erste Schritt getan wurde. Der von Moskau so dringend gewünschte und wirtschaftlich auch dringend gebrauchte Technologietransfer - ein Beigeschmack, der an Zeiten des Kalten Krieges erinnert, wird solchen Initiativen nun wieder verstärkt anhaften.