Drogenbesteck als Hauptursache

Aids in Osteuropa breitet sich aus

Die internationale HIV/Aids-Konferenz in Wien legt den Fokus auf Osteuropa und Zentralasien. Denn dort steigt die Zahl der Infizierten dramatisch an. In Osteuropa und Zentralasien leben geschätzte 1,6 Millionen Menschen mit HIV. Rund 90 Prozent in der Russland und der Ukraine. Vor allem der intravenöse Drogenkonsum trägt zur schnellen Verbreitung bei.

Mittagsjournal, 20.07.2010

Bessere Untersuchungen, zu wenig Behandlungen

In Osteuropa und Zentralasien greift HIV/Aids schneller um sich als in allen anderen Weltregionen. Die Zahl der HIV-Infizierten stieg von 900.000 im Jahr 2001 auf geschätzte 1,6 Millionen im Jahr 2008. Die Zahl hat sich fast verdoppelt. Dass die Statistiken in den wenigen vergangenen Jahren ein derartiges Plus verzeichnen liege zum einen daran, dass es tatsächlich mehr Fälle gebe. Zum anderen daran, dass mittlerweile die Daten genauer sind und bewusst auf HIV getestet wird, sagt Denis Broun von UNAIDS, dem Programm der Vereinten Nationen. Broun, bei UNAIDS Regionaldirektor für Europa und Zentralasien erklärt: "Die Menschen treffen zu wenig Vorbeugung und es gibt zu wenig Behandlung. Die Menschen sind uninformiert und treffen wenig Vorkehrung. Dazu kommt, dass viele Menschen Drogen nehmen." 1,6 Millionen Menschen mit HIV leben in Osteuropa und Zentralasien, lautet die Schätzung von UNAIDS. 60 Prozent von ihnen leben in Russland und 30 Prozent in der Ukraine.

Hauptursache: Virusverseuchte Spritzen

Motor der Epidemie ist der Drogenkonsum. UNAIDS schätzt, dass sich drei Viertel der HIV-Infizierten durch Spritzen und Virus-verseuchtes Drogenbesteck angesteckt haben, so Denis Broun. "Und das zieht Kreise. Drogen-Konsumentinnen haben Partnerinnen, Ehe-Männer und können das Virus beim Geschlechtsverkehr übertragen. In der Ukraine beispielsweise sind derzeit besonders viele Neuansteckungen auf die Übertragung beim Sex zurückzuführen", macht Broun aufmerksam. Das bestätigt auch Anna Dovbakh von der Organisation „Internationale HIV Aids Allianz" in der Ukraine. "Internationale HIV Aids Allianz" ist eine Organisation, die sich vor allem durch Geld von US-AID und dem Global Fund gegen AIDS, Malaria und Tuberkulose finanziert. Aber sie erhält keine staatlichen Gelder. Die ukrainische Aids Allianz kümmert sich vor allem um Gruppen wie Sexarbeiterinnen, Gefängnis-Insassen und Drogenkonsumierende. "1996 war es vor allem der intravenöse Drogenkonsum, nun ist es die Übertragung bei sexuellen Kontakten, zum Großteil bei heterosexuellen Kontakten. Das kommt vor allem innerhalb der Drogenszene vor."

Erfolgreiche Therapien in Westeuropa

In Osteuropa ist vor allem der intravenöse Drogenkonsum für die rasante Ausbreitung verantwortlich. Hier läge der Schlüssel zur Vorbeugung oder zumindest zur Eindämmung von HIV/Aids, bestätigen die Ukrainerin Anna Dovbakh von der Hilfsorganisation Aids Allianz und auch Denis Broun von UNAIDS. Entscheidend sei zum Beispiel die Entkriminalisierung von Drogenkonsum, so Denis Broun. Sonst würden Drogenabhängige zu stets noch riskanterem Verhalten getrieben, erklärt er weiter. "Es gehe nicht darum Drogen zu verharmlosen, sondern stattdessen Spritzentausch-Programme, Substitutionstherapien, Beratung und Betreuung anzubieten. Das habe in Westeuropa und vor allem in Österreich funktioniert."

Umdenken notwenig

Und auch Anna Dovbakh betont, wie wichtig Drogen-Ersatzprogramme seien. Erst dann, in zweiter Linie, könnten sich NGOS in der Ukraine um Aufklärung in der Allgemeinbevölkerung kümmern. Doch Drogenbetreuungsprogramme sind in vielen Staaten Osteuropas unpopulär, meint Denis Broun von UNAIDS. Damit ließen sich keine Wählerstimmen gewinnen, wenn Steuergelder für Drogenpolitik verwendet werden, meint Broun. Doch das wäre entscheidend, um HIV/Aids in den Griff zu bekommen.