Uneinigkeit über gesteuerte Zuwanderung

Rot-Weiß-Rot-Card für die Fittesten?

Soll Österreich Zuwanderung neu reglementieren und mehr qualifizierte ausländische Arbeitskräfte ins Land holen? Ja, meinen die Wirtschaft und zumindest Teile der SPÖ. Sozialminister Hundstorfer will schon bald eine sogenannte Rot-Weiß-Rot-Card für Zuwanderer haben. Die AK wiederum hält wenig von dieser Idee.

Morgenjournal, 27.7.2010

Punkte für Fähigkeiten

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sind sich einig: nach dem Vorbild etwa von Kanada oder Australien sollen qualifizierte zuwanderungswillige Menschen nach festgelegten Kriterien nach Österreich kommen dürfen. Ausschlaggebend wären Ausbildung, Berufserfahrung, Alter und Sprachkenntnisse. Für alle Fähigkeiten sollten Punkte vergeben werden. Wer eine Mindestpunkteanzahl erreicht, darf kommen.

Transparentes System gegen Ängste

Es sei für alle Seiten positiv, wenn jene Menschen, die sich für Österreich interessieren, auch wissen, was auf sie zukommt und welche Chancen sie haben, sagt Christian Friesl von der IV: "Und auch, welche Jobs hier weniger gefragt sind. Das ist ein transparentes System für alle. Derzeit kennt sich der Großteil der Bevölkerung nicht aus, wann wer zuwandert. So ein klares transparentes System würde der Bevölkerung Ängste nehmen."

Aber auch Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Österreich leben, sollen nicht vergessen werden, sagt Christian Friesl von der Industriellenvereinigung (IV.) Viele von ihnen würden mehr Qualifikation und Schulung benötigen.

Rot-Weiß-Rot-Card bis Herbst

Das würde dem österreichischen Arbeitsmarkt helfen, Lücken zu schließen, die Migrationswilligen hätten Aussichten auf eine vorerst befristete, dann dauerhafte Bleibe in Österreich. Das Ganze läuft unter dem Kürzel Rot-Weiß-Rot-Card, die auch im Regierungsprogramm verankert ist.

Die Industriellenvereinigung wünscht sich eine baldige Einführung der Card. Und auch Sozialminister Hundstorfer wünscht sich eine Ausarbeitung bis zum Herbst.

AK fürchtet Ansturm aus dem Osten

Das würde dem österreichischen Arbeitsmarkt helfen, Lücken zu schließen, die Migrationswilligen hätten Aussichten auf eine vorerst befristete, dann dauerhafte Bleibe in Österreich. Das Ganze läuft unter dem Kürzel Rot-Weiß-Rot-Card, die auch im Regierungsprogramm verankert ist und deren Ausarbeitung sich Sozialminister Hundstorfer bis zum Herbst wünscht.

Ab 2011 gilt ja freier Personenverkehr und freie Arbeitsplatzwahl auch für die neuen Mitgliedsstaaten. "Hier brauchen wir Schutzbestimmungen im Interesse der in Österreich lebenden Menschen, aber auch im Interesse der ausländischen Kolleginnen und Kolleginnen, damit die österreichischen sozialrechtlichen und lohnrechtlichen Bestimmungen auch eingehalten werden", sagt AK-Präsident Herbert Tumpel.

Arbeitsplätze und Schutzbestimmungen

Verweigern werde man sich Verhandlungen über die Rot-Weiß-Rot-Card zwar nicht, aber großen Gefallen findet man daran hörbar auch nicht. Priorität sei für die Arbeiterkammer, Chancen für die in Österreich lebenden Menschen zu schaffen, dass sie Arbeit finden können, so Tumpel. Erst wenn der Arbeitsmarkt frei sei und die notwendigen Schutzbestimmungen in Kraft, dann könne man auch über die Rot-Weiß-Rot-Card reden, sagt AK-Präsident Herbert Tumpel, bekannterweise ein Parteifreund von SPÖ-Sozialminister Hundstorfer.

"Wir hoffen, dass die Rot-Weiß-Rot-Card bald kommt."

Christian Friesl (IV) im Gespräch mit Christl Reiss.

Einladen statt Abwehren

Christian Friesl von der Industriellenvereinigung kritisiert die Arbeitnehmervertreter für ihre bremsende Haltung. Das geplante Zuwanderungsmodell würde ohnehin eine zeitlang brauchen, bis es greife: "Wir sind ja derzeit eher ein Land, das Fremde abwehrt, als sie einlädt. Wenn wir jetzt einen Paradigmenwechsel vollziehen und positiv auf potentielle Zuwanderer zugehen, dauert das zwei bis vier Jahre, bis das nach außen bekannt wird."

Weiters ist Friesl überzeugt davon, dass die Zuwanderung von qualifizierten Personen keine Jobs koste, sondern vielmehr Jobs schaffe - auch für Österreicher und Österreicherinnen.

Zuwanderung gegen Überalterung

Es sei definitiv so, dass Österreich eine Überalterung drohe, sagt Friesl. Ohne Zuwanderung sei das Pensionssystem in Zukunft nicht mehr finanzierbar. Quantitativ gesehen würde Österreich etwa jene Zuwanderungsquote benötigen, die es derzeit gebe. Jährlich kommt es zu einer Nettozuwanderung von etwa 30.000 Menschen. "Qualitativ brauchen wir Personen, die gut zur österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft passen. Insbesondere Fachkräfte in der Pflege, im Tourismus, in Wissenschaft und Technik", so Friesl.

Die durchschnittliche Geburtenrate in Österreich beträgt 1,4 Kinder. Allein der Blick auf diese Geburtenrate zeige, dass ein Viertel bis ein Drittel pro Jahrgang fehle, der durch Zuwanderung ergänzt werden müsse.