Jahresschwerpunkt im Universalmuseum Joanneum

So lebt der Mensch

Wer sind wir? Diese Frage hat die große Philosophin Hannah Arendt zum Ausgangspunkt ihrer profunden philosophischen Analyse "Vita activa oder Vom tätigen Leben" gemacht. Der Mensch ist jedenfalls ein bedingtes Wesen.

Neben Natalität (Geburtlichkeit) und Mortalität (Sterblichkeit) nennt Arendt noch drei weitere Grundbedingtheiten des menschlichen Seins: Leben, Weltlichkeit und Pluralität.

Unter der Bedingung des "Lebens" versteht Arendt den biologischen Lebensprozess, den Stoffwechsel, das sich immer verzehrende und immer erneuernde Leben der Gattung, den großen Kreislauf der Natur. In der Tätigkeit des "Arbeitens" nehmen wir an diesem schieren Lebendigsein teil. In einem ewigen Kreisen folgen immer wieder Mühsal und Ruhe, Arbeit und Verzehr, Tag und Nacht, Leben und Tod aufeinander. Der ganze Kosmos ist ein Kreisen, in dem unsere kleinen Lebenswirbel sich drehen, fruchtbar werden und wieder in das große Ganze zurückfließen.

Leben heißt, diesen Notwendigkeiten unbedingt unterworfen zu sein. Aber wir sind auch Weltwesen. Die Welt, das ist ein Beständiges, das wir erschaffen und gestalten, eine künstliche, kulturelle Welt von Dingen, in denen menschliches Leben zuhause sein kann. Und Grundlage der "Pluralität" ist das gemeinsame Handeln und Sprechen, "das Politische", das Miteinander im (durchaus kontroversen) Austausch der verschiedenen Perspektiven. Menschsein heißt bedingt sein, aber das bedeutet nicht - so Arendt - festgelegt zu sein. Im Gegenteil, es ist erst die Ermöglichung unserer Freiheit.

Aspekte der Human Condition

Hannah Arendts Nachdenken über die Widersprüchlichkeit und Komplexität der Bedingungen und Bedingtheiten, unter denen Menschen ihre Existenz - je nachdem - gestalten oder fristen, inspirierte die Kuratorinnen und Kuratoren der sechs aktuellen Ausstellungen des Universalmuseums Joanneum, die unter dem Leitgedanken "So lebt der Mensch" gruppiert sind. Sie machen diese verschiedenen Aspekte der Human Condition in unterschiedlichen, einander ergänzenden Facetten sichtbar.

Die unerschöpfliche Erfindungsgabe des homo faber kommt in der Ausstellung "Glanzstücke, Meisterwerke der Goldschmiedekunst aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza" in der Alten Galerie, Schloss Eggenberg zum Ausdruck. Sie zeigt Kostbarkeiten des formal hochentwickelten Kunsthandwerks der Renaissance und des Barocks.

Arbeit und Leidenschaft

"Der schaffende Mensch. Welten des Eigensinns" ist in Kooperation mit der regionale10 in Schloss Trautenfels Thema. Leben, Arbeit und die Leidenschaft, die beidem innewohnt, stehen im Zentrum dieser Ausstellung. Wie der Mensch lebt, wird hier durch ein Vergrößerungsglas gesehen, porträtiert und als autonomes und emanzipiertes Selbst dargestellt. Eigensinn erscheint dabei als ein mentaler und physikalischer Mechanismus, der die Identität eines sozialen und kulturellen Mikrokosmos formt und bedingt. Pawel Althamer gestaltet mit Studierenden der Akademie der Bildenden Künste Wien sechs Kunstprojekte zu lokalen Themen.

Eine Reise in die menschliche Ethik, in der die Strukturen der Rede, der Verantwortung und der moralischen Handlungsfähigkeit auf dem Spiel stehen, unternimmt die Ausstellung "Human Condition. Mitgefühl und Selbstbestimmung in prekären Zeiten" im Kunsthaus Graz noch bis 12. September 2010.

Metamorphosen alltäglicher Objekte

Einen Beitrag zum Thema Design - im Zusammenhang mit dem Schwerpunktmotto - bietet die Ausstellung "BLESS N°41. Retroperspektives Heim", ebenfalls im Kunsthaus. Das Design- und Modeduo BLESS, das sind Ines Kaag und Désirée Heiss, thematisiert in seinem Werk Metamorphosen und Adaptionen alltäglicher Objekte zum Besonderen und besonderer Objekte für den alltäglichen Gebrauch.

"lieben.uferlos und andersrum" ist der Titel der Schau im Volkskundemuseum und eine Auseinandersetzung mit Liebe, Begehren und Geschlechterrollen, speziell des les_bi_schwulen Lebens und Liebens in der Steiermark.

Bedingungen des Menschseins handelt auch Alois Mosbacher in der Retrospektive "Outside Fiction" in der Neuen Galerie Graz im Künstlerhaus Graz ab. Filmset-artig werden Malerei und Grafik aus der langen Karriere des Künstlers gezeigt sowie Rauminszenierungen, bislang unveröffentlichte Fotos, Videos und Highlights aus internationalen Sammlungen.

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen in allen Häusern, die zum Universalmuseum Joanneum gehören, ermäßigten Eintritt (25 Prozent)

Universalmuseum Joanneum