Musizieren, um zu leben
Sansibari Taarab
Das kulturelle Leben auf der Insel Sansibar ist geprägt von indischen, arabischen und ostafrikanischen Einflüssen, denn als Handelszentrum im Indischen Ozean war Sansibar jahrhundertelang auch ein Treffpunkt verschiedenster Kulturen. Deutlich wird das, wenn man einen Blick in die örtlichen Speisekarten wirft, aber auch wenn man sich sansibarische Musik anhört.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 17.08.2010
Typisch Sansibari
Taarab ist ein für Sansibar charakteristischer Musikstil, der mit europäischen und afrikanischen Instrumenten gespielt wird, auf Swahili gesungen wird, und dabei arabisch klingt. Obwohl es neue Ausprägungen dieser fast 200 Jahre alten Musikform gibt, hat traditioneller Taarab vor allem in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren. Mitverantwortlich dafür ist eine Musikakademie in Sansibar, die Kinder und Erwachsene unterrichtet und somit Taarab am Leben halten will.
Das ehemalige Zollhaus, unweit des Hafens von Sansibar, ist von Musik durchdrungen. 2002 ist die neu gegründete Dhow Countries Music Academy, kurz DCMA, in das denkmalgeschützte Gebäude mit Meeresblick eingezogen. Auf zwei Etagen befinden sich Büros und Klassenräume. Diese sind fast immer besetzt – wer üben will, sucht sich mit seinem Instrument einen Platz auf dem Laubengang rund um den nach oben offenen Innenhof.
Zwischen Tradition und Moderne
Etwa 100 Schülerinnen und Schüler sind derzeit inskribiert – zu ihnen gehört auch Suleiman Makame. Seit fünf Jahren nimmt er Unterricht, er spielt Keyboard und Piano. Sein Herz schlägt für "modern Taarab". Das ist eine seit den 1990er Jahren zunehmend populäre Abwandlung des traditionellen Taarab. Letzterer wird von Orchestern mit zwei Dutzend Musikern auf Instrumenten wie der arabischen Zither Kanun, der Flöte Nay oder dem Lauteninstrument Oud live gespielt. Sängerinnen in eleganter Robe und mit Glitzerschmuck tragen Lieder mit doppeldeutigen, poetischen Texten vor.
"Modern Taarab" hingegen ersetzt das aufwändige, sperrige Instrumentarium durch Keyboard und Lautsprecher. Die Texte sind direkt – manche kritisieren sie gar als obszön – und die Rhythmen tanzbar. Moderner Taarab ist die publikumswirksame Neu-Interpretation der traditionellen Musik, verjüngt und der globalisierten und kommerzialisierten Kulturproduktion angepasst.
Suleiman Makame erklärt: "Traditioneller Taarab wird mit anderen Musikstilen gemischt, vor allem mit Tanzmusik aus dem Kongo. Auch Chakacha, ein tansanischer Stil, fließt in den modernen Taarab ein. Hier, an der Musikakademie, wird nur traditioneller Taarab unterrichtet."
Beruf: Musiker
Anreiz, ein Instrument zu lernen, ist für viele, dass man als Musiker reisen und Geld verdienen kann, sagt Kate Bingley, künstlerische Leiterin der DCMA. Während in Europa kaum ein Absolvent künstlerischer Ausbildungsstätten von der Kunst leben kann, gilt die Musik hier – ebenso wie die bildende Kunst übrigens – nicht als schöngeistige Selbstverwirklichung, sondern als Einkommensquelle. Dank der Nachfrage der Touristen.
Die Dhow Countries Music Academy funktioniert für einige Musiker, die international gebucht werden, auch als eine Art Künstleragentur, die vermittelt, Gagen aushandelt und mit der Organisation von Auswärtskonzerten behilflich ist. Auch das ist Basisarbeit. Denn internationale Auftritte sind für sansibarische Taarab-Virtuosen keine Alltäglichkeit. Die meisten bestreiten mit Konzerten in Hotels, Restaurants und auf Hochzeiten ihren Unterhalt.
Ohne Instrument keine Musik
Es gibt zwar viele professionelle Musiker in Sansibar, aber kein Fachgeschäft für Noten, Instrumente, Zubehör und Reparatur. "Das war auch eine der großen Herausforderungen am Anfang", erinnert sich Hildegard Kiel, Mitbegründerin und Leiterin der DCMA, "wir haben eine Partnerschaft in Deutschland mit einer Musikschule und einem sehr engagierten Lehrer, der uns zu einem Container voll Möbel und Instrumente verholfen hat. Das war der Grundstock. Unser derzeitiger holländischer Volunteer hat uns ein Klavier organisiert, das nächste Woche ankommt."
Der Unterricht wird während des Fastenmonats Ramadan übrigens ausgesetzt. Über 90 Prozent der Bewohner Sansibars sind Moslems.