Großparteien suchen nach Verbündeten

Australien: Kein klarer Sieger

Zum ersten Mal seit 70 Jahren sind Parlamentswahlen in Australien unentschieden ausgegangen. Auf die regierende Labor-Partei von Julia Gillard entfallen nur 70 Sitze, die konservativ-liberale Koalition von Tony Abbott erreichte dagegen 72 Mandate. Regierungschefin Gillard und Oppositionsführer Abbot kämpfen nun um die Unterstützung der Unabhängigen und der Grünen.

Keine Partei hat nötige 76 Mandate

Nach der Parlamentswahl in Australien droht dem Land eine Hängepartie. Nach Auszählung von rund 78 Prozent der Stimmen lag die regierende Labor Party bei 70 Mandaten und das Oppositionsbündnis unter Führung der konservativen Liberalen bei 72, wobei Labor aber mehr Stimmen erhalten haben dürfte. Keiner der beiden Blöcke allein hat also eine absolute Mehrheit von 76 Mandaten erreicht. Politiker beider Lager hielten es angesichts der knappen Teilergebnisse daher für möglich, dass dem Land zum ersten Mal seit 70 Jahren ein sogenanntes "hung parliament" drohen könnte. Sowohl Premierministerin Julia Gillard als auch Oppositionsführer Tony Abbott kündigten an, sie wollten sich um die Bildung einer Regierung mit Unterstützung unabhängiger Abgeordneter bemühen.

Mittagsjournal, 22.08.2010

Labour-Chefin sucht Kontakt mit Grünen

"Wir werden weiter dafür kämpfen, eine Regierung zu bilden", erhob Gillard vor Anhängern ihrer Labor Party den Anspruch auf die Macht. Sie führte nach dem unklaren Wahlausgang bereits erste Gespräche über eine künftige Zusammenarbeit mit den Grünen. Grünen-Chef Bob Brown traf Gillard am Sonntag. Die Begegnung sei sehr herzlich gewesen, es seien aber keine Vereinbarungen getroffen worden, sagte Brown anschließend. Seine Partei sei nicht in der Position, Forderungen aufzustellen, sondern wolle das bestmögliche Ergebnis fürs Land erreichen.

Grüne taktieren

Brown will nun aber auch Oppositionschef Abbott treffen, der ähnlich wie Gillard erklärte, seine Liberalen seien bereit, zu regieren und den Australiern "eine stabile, berechenbare und kompetente Regierung" zu bieten. "Ich bin sicher, dass wir eine Mehrheit zusammenbekommen", sagte sein Sprecher Andrew Robb. Gillard hat auch Kontakt mit unabhängigen Abgeordneten aufgenommen, die dem konservativen Lager zugerechnet werden.

Drei Unabhängige im Parlament

Dem neuen Parlament dürften mindestens drei unabhängige Abgeordnete angehören, die Grünen eroberten nach dem bisherigen Stand der Auszählung ein Mandat. Die Unabhängigen wollten in Canberra über eine gemeinsame Strategie beraten, um ihre eigenen Politikvorstellungen durchzusetzen.

Bisher regierende Labour hat verloren

Australien hat ein Zwei-Kammer-Parlament nach britischem Vorbild. Die Partei, die die meisten der 150 Sitze im auf drei Jahre gewählten Repräsentantenhaus gewinnt, bestimmt den Premierminister. Die Aussicht auf eine Minderheitsregierung verbreitete vor allem in der Wirtschaft Australiens schon im Vorfeld der Wahl Unsicherheit. Gillard erklärte, die Lage bedeute noch keine Krise. Labor hatte bisher 83 Parlamentssitze inne - hat im Gegensatz zur Opposition also verloren. Abbotts Liberale kamen nämlich auf 54, die mit ihnen verbündeten Nationalen auf neun Sitze (gemeinsam 63). Bisher gab es vier unabhängige Volksvertreter. Das Mehrheitswahlsystem macht es möglich, dass eine Partei mehr Sitze bekommt, obwohl sie weniger Stimmen hat: So kommt Labor nach jetzigem Stand auf einen Stimmenanteil von 50,7 Prozent, das national-liberale Lager aber nur auf knapp über 49 Prozent.

Gillard musste sich bestätigen lassen

Umfragen vor dem Urnengang hatten bereits ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gillard und Abbott vorausgesagt. Die vorgezogene Neuwahl wurde von der erst seit zwei Monaten amtierenden Gillard angesetzt, um ihr Mandat bestätigen zu lassen. Die 48-jährige Anwältin hatte ihren Vorgänger Kevin Rudd gestürzt und als Regierungs- und Parteichefin beerbt, nachdem Rudds Pläne für eine Abgabe auf Treibhausgase und einer umstrittene Bergbausteuer seine Popularitätswerte abstürzen ließ. Gillard ist die erste Frau an der Spitze einer australischen Regierung. Rudd konnte in seinem Wahlkreis im Norden Australiens die erforderliche Mehrheit erzielen und damit seinen Parlamentssitz verteidigen. Abbott ist bereits der dritte Parteichef der Liberalen seit der Wahlniederlage von Ministerpräsident John Howard 2007. Der 52-Jährige kam im Dezember mit nur einer Stimme Vorsprung gegenüber seinem Vorgänger ins Amt.

Auch Hälfte des Senats neu gewählt

Auch die Hälfte des Senats wurde am Samstag neu bestimmt. Dort dürften die Grünen das Zünglein an der Waage spielen. Insgesamt waren rund 14 Millionen Menschen aufgerufen, bei dem Urnengang ihre Stimme abzugeben. In dem 22-Millionen-Einwohnerland besteht für alle Bürger ab 18 Jahren Wahlpflicht.