Größte muslimische Minderheit

Kein Islamproblem in Russland

Außerhalb Österreichs sorgt die Debatte um Minarette und Moscheen eher für Verwunderung vor allem dort wo mit 20 Millionen Menschen die größte muslimische Minderheit Europas lebt, in Russland - und das trotz der immer wiederkehrenden Terroranschläge islamistischer Terroristen

Mittagsjournal, 04.09.2010

In Russland verwurzelt

Mit einem Gebet wird das Fastenbrechen bei der Gedächtnis-Moschee in Moskau eröffnet. Die Moschee wurde im Jahr 1995 als Teil des Park des Sieges errichtet - Im Gedenken an die Soldaten muslimischen Glaubens, die im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee gedient und für die Sowjetunion gefallen sind - gleich daneben ist eine Synagoge, etwas weiter entfernt eine orthodoxe Kirche.

Gastgeber des Fastenbrechens ist Ravil Gaijnutdin, der Vorsitzende des russischen Mufti-Rates und damit quasi der höchste Geistliche des Landes: "Die Muslime sind im russischen Staat verwurzelte Bürger, keine Einwanderer. Russland zeigt damit der Welt seine Toleranz und ist ein Beispiel für ganz Europa. Im heiligen Koran steht wir müssen einander anerkennen. Wenn wir die Kultur und Tradition der Anderen kennen werden wir auch mit Wertschätzung miteinander umgehen".

Jahrhundertelang anerkannt

Seit der Eroberung der Khanate Kazan und Astrachan durch Iwan den Schrecklichen im 16. Jahrhundert sind Muslime Teil des russischen Staates. Anders als seinen Ruf entsprechend erwies sich Zar Iwan damals als sehr pragmatisch: Der Islam wurde nicht unterdrückt sondern offiziell anerkannt. Bis heute stellen die muslimische Tartaren in Kazan die Bevölkerungsmehrheit, ebenso im Nordkaukasus und in Teilen Sibiriens, die erst im 19. Jahrhundert unter russische Kontrolle kamen.

Die Muslime sehen sich dementsprechend auch nicht als ethnische Russen - als russkie, sondern als Rossiskie - ein Wort das sich am besten mit "Russländisch" übersetzen lässt: "Wenn Besucher zu uns kommen sind sie sehr überrascht. Im Kreml in Kazan steht die Moschee direkt neben der orthodoxen Kirche, und etwas entfernt eine evangelische Kirche. Jeder kann zu seinem Gott beten, jeder hat eine freie Auswahl", erklärt Zilja Valeeva, die Kulturministerin der autonomen Republik Tatarstan, die ebenfalls zum Fastenbrechen nach Moskau gekommen ist.

Terror schürt Fremdenhass

Zu schaffen macht den Muslimen der islamistische Terror, der von Tschetschenien ausgeht - die Muslime selbst hätten darunter am meisten zu leiden, meint ein Besucher und spielt damit auf den xenophoben Hass an, den Menschen aus dem Kaukasus immer wieder zu spüren bekommen. Mit Muslimen an sich, vor allem wenn sie nicht aus dem Kaukasus stammen, gebe es keine Probleme bestätigt Rabbi Marat Aslanov von der nahe gelegenen Synagoge, der ebenfalls beim Iftar zu Gast ist: "Wir verstehen dass es im Nahen Osten Probleme gibt, vielleicht sogar unüberbrückbare. Aber wir haben hier in Russland so viel gemeinsam durchlebt, das verbindet. Und viele Familien sind sehr assimiliert".

Und das ist wohl der Hauptgrund, wieso in Russland der Bau von Moscheen und Minarette keinen Protest hervorrufen, ebenso wenig wie der Bau neuer Kirchen. Nach 70 Jahren atheistischer Sowjetherrschaft spielt Religion in der Gesellschaft keine große Rolle - egal ob sie als Symbol ein Kreuz hat oder einen Halbmond.

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