Keine Anklage gegen Kadyrow
"Bitte" Moskaus, kein "Druck"
Bei den Ermittlungen im Mord an einem tschetschenischen Flüchtling im Februar sei der Name des Präsidenten der Region Tschetschenien, Ramzan Kadyrow, auf Druck der Russen aus der Anklageschrift entfernt worden, sagt der Grüne Peter Pilz. Ein russischer Experte meint hingegen, dass Druck aus Moskau dafür gar nicht nötig sei.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 09.09.2010
"Bitte", nicht "Druck"
Wer hat den Mord an dem tschetschenischen Flüchtling Umar Israilov in Wien in Auftrag gegeben? In den Unterlagen der Ermittler war noch die Rede davon, dass der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien in den Mord verwickelt sein könnte. Das österreichische Gericht wird sich mit dieser Frage voraussichtlich nicht befassen, in der vorläufigen Anklageschrift kommt der Name Kadyrows nicht vor. Eine direkte Intervention oder Druck aus Moskau seien dafür gar nicht nötig gewesen, meint der Politikwissenschaftler Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrun, der erst vor kurzem ein Buch über Kadyrow veröffentlicht hat: "Mir gefällt das Wort Druck nicht, ich würde eher sagen: Bitte. Wenn der russische Staat Druck ausübt, würde das alles nur verschlimmern, aber man kann immer Gespräche führen. Russland schätzt die Beziehungen zu Europa sehr hoch ein, die Größe des Landes spielt da keine Rolle. Russland wird daher nie befehlen, Russland bittet um etwas, man macht sich etwas aus."
Schlüsselfigur Kadyrow
Zu dem Vorwurf des Grün-Politikers Peter Pilz, es gebe einen Geheimvertrag zwischen dem russischen Geheimdienst FSB und dem österreichischen Innenministerium, kann Malaschenko nichts sagen. Aber die österreichischen Politiker wüssten, mit wem sie es zu tun haben: "Ramzan Kadyrow ist politisch einer der Schlüsselfiguren Russlands. Kadyrow werden von der Führung Aufgaben von landsweiter Bedeutung übertragen, auf ihm ruhen besondere Hoffnungen. Daher hat Moskau natürlich kein Interesse, ihn kompromittieren zu lassen, besonders nicht in Europa."
Dennoch keine Folgen?
Die ganze Strategie des Kremls im Nordkaukasus hängt an der Person Kadyrow: Er soll für Stabilität sorgen, seine Milizen haben den Kampf gegen die tschetschenischen Aufständischen von der russischen Armee übernommen. Dafür hat er in seinem Gebiet politisch weitgehend freie Hand. Wladimir Putin, heißt es immer wieder, halte persönlich seine Hand über ihn. Welche Folgen hätte eine Anklage Kadyrows auf die Beziehungen zwischen Österreich und Russland gehabt? - "Ich glaube keine Folgen - Politiker sind einigermaßen zynische Menschen, die genau verstehen, welche politischen Mechanismen im anderen Land herrschen. Und Kadyrow hat im russischen Establishment eben eine besondere Position", meint Kadyrow-Eperte Alexej Malaschenko.
"Bei Kadyrow muss man aufpassen"
In den russischen Medien wird über die Ermittlungen in Österreich übrigens kaum mehr berichtet: Nach einem kritischen Bericht hatte Kadyrow die Klage gegen die oppositionelle Zeitung "Novaya Gazeta" eingereicht. Auch äußern will sich zudem Fall praktisch niemand mehr, oder wie es eine Journalistin hinter vorgehaltener Hand ausrückt: Über Putin könne man sagen und schreiben was man wolle. Aber bei Kadyrow müsse man wirklich sehr genau aufpassen.