Neue Strategien zum Erfolg
Der Wandel der Pop-Industrie
Die Plattenindustrie ist in der Krise, Musik wird vom Massenpublikum weitgehend nicht mehr gekauft, sondern kostenlos im Internet heruntergeladen. Die CD wird im Popbereich bald eine untergeordnete Rolle spielen, prophezeien Experten. Für Künstler und Produzenten bedeutet das, neue Vermarktungsstrategien zu suchen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 16.09.2010
Gerade in der vergleichsweise kleinen österreichischen Popbranche ergeben sich aus der neuen Situation Schwierigkeiten, aber auch Chancen. Wie ausgerechnet kleine Labels am Aufbau heimischer Künstler mithelfen können, ob die CD wirklich tot ist, und welche Rolle in Zeiten des Internet das Radio noch spielt - darüber hat das Ö1 Kulturjournal mit Branchenkennern gesprochen.
Gratismusik führte in die Krise
Was nicht knapp ist, das kostet auch nichts. Auf diese einfache ökonomische Regel lässt sich die aktuelle sogenannte "Tonträgerkrise" zurückführen. Die grenzenlose, weitgehend kostenlose Verfügbarkeit von Musik im Internet, und das bei guter Qualität, hat vor allem beim jungen Massenpublikum zur Überzeugung geführt, für Musik nicht zahlen zu müssen.
Zu lange beharrten die Plattenfirmen auf dem vermeintlich einträglichen Geschäft mit der teuren Single. Für Künstler und Produzenten bedeute das jedoch nicht den Weltuntergang, glaubt Hannes Tschürtz. Er ist Mitgründer der Musikagentur ink music und betreibt das Wiener Plattenlabel Schoenwetter. Das Internet, sagt Tschürtz, biete als Netzwerk zwischen Künstlern und Publikum ganz neue Möglichkeiten.
"Man kann viel mehr und viel leichter den Menschen Musik zugänglich machen", so Tschürtz. "Von dem her hat sich die Zielsetzung geändert. Nicht: Ich muss mehr Tonträger verkaufen, sondern: Ich muss an so viele Menschen wie möglich meine Musik bringen. Und in letzter Konsequenz ist es verhältnismäßig egal, ob es auf dem legalen oder illegalen, digitalen oder analogen Weg passiert. Wenn man einmal mit der Musik zum Menschen gekommen ist, ist es relativ einfach, mit ihm in Kontakt zu treten und zu bleiben - durch das Internet."
Internationale Erfolge
Wenn die CD nicht mehr im Mittelpunkt des Geschäfts steht, müssen auch Musikproduzenten umdenken. Kleine Labels seien da oft flexibler als die großen Plattenfirmen, sagt Tschürtz, der bei seinem eigenen Label österreichische Künstler wie Ja, Panik und Trouble Over Tokyo unter Vertrag hat, die in letzter Zeit auch international Beachtung gefunden haben.
Daneben vermittelt seine Agentur für eine Vielzahl österreichischer Bands Konzerte und übernimmt die Promotion. Auffallend ist, dass die österreichische Poplandschaft in den letzten Jahren immer vielfältiger und hochwertiger geworden ist. Nach einer Flaute zu Beginn der Nullerjahre werden aktuell immer mehr Künstler auch im Ausland wahrgenommen, wie etwa die 20-jährige Anja Plaschg alias Soap & Skin mit ihrem elegischen, unverwechselbaren Stil.
Kleine Labels sorgen für Aufsehen
Träger der auflebenden österreichischen Popszene sind Hannes Tschürtz zufolge vor allem die kleinen Labels. Doch auch ein Nischenprodukt wie Soap & Skin könne auf eine Präsenz in den Medien nicht verzichten. Eine wichtige Rolle sieht Hannes Tschürtz nach wie vor beim Radio.
"Ich kann mir im Internet aktiv mehr oder weniger alles aktiv suchen. Aber es gibt kaum Passivmedien wie das Radio, wo ich damit beglückt werde. Das, was im Radio läuft, kann ich entdecken. Und irgendwie muss ich ja auch draufkommen, dass das gut ist, bevor ich das aktiv abfragen kann. Ich persönlich sehe die Rolle des Radios zumindest gleichbleibend, wenn nicht sogar gestärkt im Vergleich zu früher, weil es eben weniger dieser Vorschlagsmedien gibt", so Tschürtz.
Sender für österreichische Bands
Im kleinen Pop- und Medienmarkt Österreich ist es einzig der Jugendkultursender FM4, der sich unbekannterer österreichischer Bands annimmt, die sich nicht am Massenmarkt orientieren. Mit genrespezifischen Sendungen spricht FM4 auch ein speziell interessiertes Publikum an. Ö3, der Sender mit dem größten Marktanteil, versteht sich dagegen als Begleitmedium, bei dem der kulturelle Aspekt der Musik eine kleinere Rolle spielt. FM4-Chefin Monika Eigensperger sieht abseits des Radios aber noch andere Möglichkeiten, wie sich Musiker Bekanntheit erspielen können.
"Es gibt durchaus Interpreten, etwa Ernst Molden, der in seiner sehr speziellen Musik wenn man so will nirgends ein rasendes Radio-Airplay hat, aber in verschiedenen Formaten durchaus vorkommt, auch auf Ö1 und FM4. Er hat sich seinen Stellenwert und seinen Bekanntheitsgrad erspielt durch unzählige Liveauftritte. Er hat ein Publikum, das ihm folgt und treu ist", so Eigensperger.
Der Live-Act als die wohl älteste Art des Auftretens, das Radio als Bekanntmacher, das Internet als Netzwerk: Möglicherweise war es für Musiker noch nie einfacher, auch ein internationales Publikum zu erreichen. Das ist vor allem für österreichische Künstler wichtig, die im heimischen Musikmarkt allein nicht das Auslangen finden.
Textfassung: Rainer Elstner
Service
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