Sarkozys Ärger übertönte Sacharbeit
EU-Gipfel brachte mehr als Roma-Eklat
Der Umgang Frankreichs mit den Roma hat beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstags zum Eklat geführt. Frankreichs Präsident Sarkozy hat das Treffen genutzt, um sich lautstark über die Kritik der EU-Kommission an der französischen Roma-Politik zu beschweren. Dadurch sind jedoch jene Themen in völlig in den Hintergrund gerückt, die eigentlich bei diesem Gipfel beschlossen worden sind.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 17.09.2010
Bühne für Empörung Sarkozys
Frostiger hätte die Stimmung kaum sein können. Beim traditionellen Familienfoto zeigt Nicolas Sarkozy, was er von Jose Manuel Barroso hält: Sarkozy dreht dem Kommissionspräsidenten den Rücken zu - vor den Augen und Objektiven aller Fotographen. Der französische Präsident erklärt den Konflikt mit der EU-Kommission rund um die Roma-Ausweisungen eigenmächtig zur europäischen Priorität. Er lasse es sich nicht bieten, dass Grundrechtskommissarin Viviane Reding die Ausweisungen der Roma indirekt mit den Massendeportationen im 2. Weltkrieg vergleicht: "So spricht man nicht mit europäischen Partnern - diese Worte waren zutiefst verletzend und meine Aufgabe als Staatschef ist es, Frankreich zu verteidigen. Das waren abscheuliche Worte - wie Schande oder Zweiter Weltkrieg oder die Anspielung auf die Juden - das hat uns zu tiefst schockiert."
Sarkozy hält an Roma-Politik fest
Die Journalisten protestieren ob der extremen Interpretation - denn Redings Worte waren: "Ich dachte nicht, dass wir das noch einmal erleben müssen nach dem Zweiten Weltkrieg." Zwar räumt Sarkozy ein, dass die Kommission das Recht habe, eine Klage gegen Frankreich zu prüfen, allerdings werde er seine Roma-Politik nicht ändern und weiterhin illegale Lager räumen lassen.
Bemühen um verbale Abrüstung
Während der französische Präsident weiter schäumt setzen der Kommissionpräsident und der Ratspräsident auf verbale Abrüstung. Herman van Rompuy meint: "Ein Mitgliedsstaat hat das Recht und die Pflicht, seine Gesetze umzusetzen - die EU-Kommission hat das Recht und die Pflicht, die Richtlinie zum freien Personenverkehr und zu Antidiskrimierung umzusetzen." Und Kommissionspräsident Barroso: "Lassen wir das jetzt hinter uns, arbeiten wir wieder an der Sache. Ich glaube so sollten wir jetzt vorgehen, und nicht mit einer sinnlosen Rhetorik und überflüssiger Kontroverse."
Auch Substanzielles
Beim nächsten Gipfel im Oktober soll offiziell über die Roma-Thematik in Europa diskutiert werden. Doch abgesehen vom medienwirksamen Gezanke und vom offen ausgetragenen Machtkampf haben die EU-27 auch Substanzielles umgesetzt. Sie haben sich auf ein Freihandelsabkommen mit Südkorea geeinigt, womit sich für Europa neue Märkte öffnen. Außerdem erzielten sie Einigkeit bei der gemeinsamen Außenpolitik - die 27 Staaten sollen künftig ihre Außenpolitik abgleichen. So soll verhindert werden, dass etwa bei internationalen Konferenzen, wo alle EU-Staaten teilnehmen, 27 unterschiedliche Meinungen kommuniziert werden. Ein Gipfel also, der weit mehr zu bieten hatte als nur einen trotzig-tobenden Staatschef, der sich über die gemeinsamen Spielregeln echauffierte.