Nach der Wahl in Afghanistan

Erfolg oder Misserfolg?

Die Wahlbeteiligung bei der Parlamentswahl in Afghanistan war mit 40 Prozent sehr niedrig. Zudem gibt es schon zahlreiche Fälle von Wahlbetrug. Die Taliban haben mit zahllosen Anschlägen den Verlauf gestört. Die westliche Staatengemeinschaft spricht dennoch im Großen und Ganzem von einem Erfolg.

Mittagsjournal, 20.09.2010

Auch Favoriten unter den Fälschern

Alle haben gefälscht, nicht nur das Regierungslager, davon ist Thomas Ruttig felsenfest überzeugt und er muss es eigentlich wissen, schließlich hält sich der Politikwissenschafter derzeit in Afghanistan auf, um den Urnengang und dessen Folgen zu beobachten. Unter den Fälschern seien ein Dutzend Kandidaten, so verlässliche Berichte, sagt Ruttig, darunter auch viele, die als Favoriten gelten.

Ruttig: Westen ist mitverantwortlich

Präsident Karzai selbst habe aus seiner Erfahrungen vom letzten Mal gelernt, dass er vom Westen in jedem Fall entschuldigt wird, erläutert Ruttig. Die nach den Präsidentenwahlen gegen Karzai erhobenen Vorwürfe wegen Wahlbetrugs sind schließlich ohne Konsequenzen geblieben. Tatsächlich macht der Experte den Westen für viele Missstände in Afghaniastan mitverantwortlich. Schuld seien einerseits die Taliban, andererseits aber auch die mangelnde Effizienz der Karzai-Regierung und die Korruption. Der dritte Faktor sei der mangelnde Druck der westlichen Regierungen.

Argumente für den Abzug

Das große Lob, mit dem die internationale Staatengemeinschaft und der Westen nun Afghanistan geradezu überschütten, überrascht Ruttig nicht. Man will sich aus der Affäre ziehen, indem man die Wahlen schön redet. Die Welt soll glauben, dass sich die Afghanen sehr bald selbst schützen können. Man brauche Argumente, um möglichst schnell aus Afghanistan abziehen zu können. Die Institutionen seien noch sehr schwach, darunter auch die Sicherheitskräfte und bevor die nicht funktionieren, sei es unverantwortlich aus Afghanistan abzuziehen, sagt Ruttig. Einen Abzug der ausländischen Truppen, der - wie es heißt - innerhalb der nächsten vier Jahre angepeilt wird, hält Thomas Ruttig jedenfalls für verfrüht.