Wende bei Abschiebe-Praxis

Asyl für Familien: Fälle werden geprüft

Nach der Wende bei den Familienabschiebungen werden nun im Innenministerium Altfälle geprüft. Konkret sieht sich das Innenministerium Fälle noch einmal an, die Familien betreffen und die vom Verwaltungsgerichtshof und vom Asylgerichtshof einen negativen Bescheid bekommen haben. Voraussetzung ist, dass die Familie noch in Österreich ist.

Mittagsjournal, 19.10.2010

Fall wird neu aufgerollt

Besonders sensible Fälle, die Familien betreffen, sollen nun noch einmal aufgerollt werden, heißt es im Innenministerium. Ein Beispiel ist der Fall der Zwillingsmädchen aus dem Kosovo. Dieser Fall könne deshalb noch einmal bearbeitet werden, weil die Mutter der Mädchen sich nach wie vor in Österreich befindet. Noch diese Woche wird die kosovarische Familie mit den Zwillingsmädchen nach Österreich zurückkehren, sagt die Rechtsberaterin der Familie, Karin Klaric. Im Innenministerium wird bereits geprüft, ob der Familie nicht doch humanitärer Aufenthalt gewährt werden kann. Aber man werde sich den Fall in mehrerer Hinsicht noch einmal genau ansehen, sagt Rechtsberaterin Klaric. Schließlich sei auch ein Asylantrag der Mutter noch offen.

Demo für armenisches Mädchen

Auch im Fall des 14jährigen armenischen Mädchens, das von der Fremdenpolizei von der Schule abgeholt werden sollte, prüft das Innenministerium. Die Mutter des Mädchens befindet sich nach wie vor in stationärer psychiatrischer Behandlung. Das Mädchen selbst geht zurzeit nicht in die Schule, sie wird von der Volkshilfe betreut. Hier hofft man darauf, dass der Fall in den nächsten Tagen entschieden wird. Die Klassenkameraden des Mädchens haben gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen und mit der Aktion kritischer Schüler Dienstagvormittag auf dem Ballhausplatz vor dem Ministerrat gegen die ursprüngliche geplante Abschiebung ihrer Schulkollegin protestiert.

Wechselseitige Vorwürfe

Was bisher schiefgelaufen ist, wird jetzt nach und nach aufgearbeitet: Im Fall der Zwillinge hat Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) am Montag kritisiert, dass der Bescheid des Magistrates in Steyr mangelhaft gewesen sei. Der oberösterreichische Landeshauptmannstellvertreter Josef Ackerl (SPÖ) kontert am Dienstag, dass der Akt im Sommer vier Monate lang im Innenministerium gelegen sei. Der Akt sei sogar an den Magistrat Steyr zurückgeschickt worden, "weil das Innenministerium mit der inhaltlichen Übermittlung des Aktes noch nichts anfangen könnte, sondern es darum gegangen ist, dass lose Blätter zusammengefügt wurden. Das ist eine bürokratische Vorgangsweise, die nicht das erste Mal passiert."

Fekter will "einheitlichen Vollzug"

Um Behördenwirrwarr in Zukunft zu verhindern, soll ein Bundesamt für Asyl und Migration geschaffen werden. Der Vorschlag passierte heute den Ministerrat. Ab 2013 soll nur noch eine zentrale Stelle für Asyl und Migration zuständig sein - eben das neue Bundesamt, sagt Innenministerin Fekter. "Damit können wir einen einheitlichen Vollzug gewährleisten. Dieses Amt wird kommen. Bis dahin aber wird das Innenministerium danach trachten, dass der Vollzug auch einheitlich stattfindet."

Häupl will "Verlässlichkeit"

Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sieht Handlungsbedarf - allerdings in anderer Hinsicht: Er fordert, dass das im Gesetz verankerte Recht auf humanitären Aufenthalt mit konkreten Kriterien versehen werden soll: "Da ist in erster Linie der Grad der Integration verantwortlich." Nicht zum Zug kommen soll, wer straffällig wird. Es gehe ihm um "mehr Rechtssicherheit, weniger Individualentscheidung des Innenministeriums, Verlässlichkeit", so Häupl. "Wenn sich jemand auf das Abenteuer Österreich einlässt, soll er wissen, woran er ist."

Weiterhin zweierlei Maß?

Die betreuenden Hilfsorganisationen freuen sich über die Wende in Sachen Familienabschiebungen. Von Experten ist jedoch zu hören: Jene Familien, die nun im Rampenlicht stehen, haben vielleicht Glück und können dableiben. Andere Betroffene, die nicht so im Fokus stehen, müssten jedoch weiterhin damit rechnen, dass sie abgeschoben werden.