Generalprokuratur weckt große Hoffnung
BAWAG-Urteile: Anwälte jubeln
Die Generalprokuratur empfiehlt bei sechs von neun BAWAG-Angeklagten, das Urteil aufzuheben. Auch bei Helmut Elsner sieht die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtes mehrere Formfehler und will einen Teil kippen. Die Anwälte von Helmut Elsner und Wolfgang Flöttl sind über die Stellungnahme der Generalprokuratur natürlich höchst erfreut.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.10.2010
Neue Hoffnung
Seit fast vier Jahren sitzt Helmut Elsner in Untersuchungshaft, 16 Enthaftungsanträge hat er bisher erfolglos gestellt. Sein Antrag auf Hausarrest mit elektronischer Fußfessel wurde abgelehnt. Auch wenn die Stellungnahme der Generalprokuratur nur eine Empfehlung ist, der der Oberste Gerichtshof (OGH) nicht folgen muss, schöpfen Elsners Anwälte trotzdem neue Hoffnung auf die baldige Haftentlassung ihres Klienten.
"Rücktritt und Weisung"
Anwalt Andreas Stranzinger sieht nun gar Justizministerin Bandion-Ortner am Zug: Sie sollte zurücktreten, so Stranzinger, und davor noch die Weisung an die Staatsanwaltschaft erteilen, Elsner "umgehend zu enthaften". Für Stranzinger ist vom Freispruch bis zu einer geringeren Strafe für Elsner alles möglich. Er erwartet sich nun vom Obersten Gericht, dass sich dieser noch einmal die Schuldfrage bei den Untreue- und Betrugsvorwürfen gegen Elsner genau anschaut.
Neuer Enthaftungsantrag
Der zweite Anwalt von Helmut Elsner, Jürgen Stefan Mertens will hingegen nicht erst auf eine entsprechende Weisung der Justizministerin warten. Die Verteidigung werde einen Enthaftungsantrag stellen, und man gehe davon aus, dass das auch von Seiten der Staatsanwaltschaft so gesehen wird. Der neue Enthaftungsantrag soll noch diese Woche folgen.
Schuldsprüche neu verhandeln
Hoch Erfreut über die Stellungnahme der Generalprokuratur ist auch Wolfgang Flöttl Anwalt Herbert Aichenseder. "Flöttl ist Gott sei Dank in New York und ich in Wien, sonst hätte er mich hier schon geküsst." Immerhin hat die Generalprokuratur bei Flöttl so viele Fehler in der Urteilsbegründung gefunden, dass sie empfiehlt das Urteil völlig aufzuheben. Aichenseder: "Wenn der Oberste Gerichtshof der Rechtsmeinung der Generalprokuratur folgt, dann wäre Doktor Flöttl mit seinem Rechtsmittel zu hundert Prozent durchgekommen. Das heißt, seine Freisprüche würden in Rechtskraft erwachsen, und seine zwei Schuldsprüche müssten neu verhandelt werden."
Schadenssumme kaum verändert
Entschieden ist mit der Stellungnahme der Generalprokuratur aber noch gar nichts. Das betont auch Strafrechtsprofessor Wolfgang Brandstätter, der im Prozess Privatbeteiligtenvertreter der BAWAG war. Die BAWAG selbst will sich wie bisher nicht zum laufenden Verfahren äußern, sagt Brandstätter. Unabhängig davon hält der Strafrechtsexperte aber fest, dass es sich bei der Stellungsnahme der Generalprokuratur um eine unverbindliche Empfehlung handelt, von der völlig offen ist, ob und inwieweit der OGH ihr folgen wird, sagt Brandstätterr. Selbst wenn der OGH zu hundert Prozent der Generalprokuratur folgen sollte, würde daraus nur eine geringfügige Reduzierung der dem Urteil zugrundegelegten Schadenssummen ergeben, so Brandstätter.
So geht es weiter
Nun wird mit Spannung die endgültige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Causa BAWAG erwartet. Dort wird bereits an dem Akt gearbeitet. Zunächst müssen die Anwälte jedoch ihre Stellungnahmen abgeben.
Morgenjournal, 20.10.2010
Arbeit hat längst begonnen
Fünf Richter des Obersten Gerichtshofes werden entscheiden, ob der BAWAG-Prozess ganz, teilweise oder gar nicht neu aufgerollt wird. Einer von ihnen - im Fachjargon heißt er der Berichterstatter - liest sich bereits seit Monaten in den Akt ein, sagt der Sprecher des Obersten Gerichtshofes, Kurt Kirchbacher.
Fünf Wochen Zeit
Der OGH berücksichtigt die Stellungnahme der Generalprokuratur und der Verteidiger. Diese haben fünf Wochen Zeit, ihre Statements abzugeben. Im Rahmen eines öffentlichen Gerichtstages am 22.Dezember entscheidet der Richtersenat des OGH, ob den Einwänden von Elsner, Zwettler und Nakowitz stattgegeben wird oder nicht. Bereits vorher wird in einer nichtöffentlichen Sitzung über die Einwände der anderen Beschuldigten entschieden.
Aufhebung oder Bestätigung
Sollte es zu einer teilweisen Aufhebung der Urteile kommen, dann hängt es davon ab, in welchem Teil das geschieht, ob der Prozess wiederholt werden muss. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die Staatsanwaltschaft einen Teil der Anklage zurückzieht. Wird das Urteil hingegen bestätigt, liegen rechtskräftige Schuldsprüche vor, sagt Kirchbacher. In diesem Fall müsste der OGH an diesem öffentlichen Gerichtstag auch die Strafhöhe endgültig bestimmen. Gegen diese Entscheidung ist dann kein Rechtsmittel mehr möglich, sagt Kirchbacher.
Jedes fünfte Verfahren neu
Laut interner Statistik des Obersten Gerichtshofes sind 20 Prozent aller Nichtigkeitsbeschwerden erfolgreich. Das heißt, in jedem fünften Fall wird ein Verfahren ganz oder teilweise wieder aufgerollt.