Anwälte stellen Enthaftungsantrag
Darf Elsner aus der Haft?
Nach der Empfehlung der Generalprokuratur, die Urteile im BAWAG-Prozess teilweise aufzuheben, sehen die Anwälte von Helmut Elsner neue Munition, um den 75-jährige Ex-BAWAG-Chef doch noch aus der Untersuchungshaft zu bekommen. Bei der Staatsanwaltschaft sieht man hingegen keinen Grund dafür.
8. April 2017, 21:58
Abendjournal, 20.10.2010
Wird Elsners Haftstrafe gesenkt?
Im Fall Helmut Elsner gehen die Ansichten über die potentiellen Auswirkungen der Rechtsansicht der Generalprokuratur auf die Haftstrafe des Ex-Bankers auseinander. Elsners Verteidiger erwarten eine erhebliche Senkung der Haftstrafe durch den Obersten Gerichtshof. An der Uni-Innsbruck sieht man hingegen keine gravierenden Auswirkungen, auch wenn sich der OGH der Rechtsansicht der Generalprokuratur anschließen sollte.
Höchstrichter soll entscheiden
Vor allem auch, da die Schadenssumme von 1,7 Milliarden Euro, die Elsner im BAWAG-Verfahren vorgeworfen wurde, auch aus Sicht der Generalprokuratur nur minimal herabzusetzen ist. Dementsprechend sieht man bei der Oberstaatsanwaltsschaft Wien derzeit keinen Handlungsbedarf aktiv zu werden, sagt Leiter Werner Pleischl.
Erst wenn eine Höchstgerichtliche Entscheidung vorliegt, dann wird die Verhältnismäßigkeit der U-Haft neuerlich geprüft, sagt Pleisch.
Neuerlicher Enthaftungsantrag
Elsners Anwälte hingegen planen dieser Tage einen neuen Enthaftungsantrag für den 75-jährigen bei Gericht einzubringen. Und zwar mit Verweis auf die Unverhältnismäßigkeit der U-Haft im Vergleich zu den anderen Hauptbeschuldigten BAWAG-Vorständen Erich Zwettler und Peter Narkovic.
Beide haben sich ja nie in Untersuchungshaft befunden. Außerdem liegt derzeit auch noch eine Beschwerde Elsners beim Oberlandesgericht Wien. Hier wird sich demnächst ein Richtersenat mit der Frage befassen, ob der Haftrichter Elsner zu recht die elektronische Fußfessel verwehrt hat.
Mittagsjournal, 20.10.2010
Freispruch für die kleinen Vorstände?
Zumindest sechs der neun Angeklagten im BAWAG-Prozess haben seit Dienstag allen Grund zur Freude: Sie hätten freigesprochen werden müssen, sagt die Generalprokuratur. Es handelt sich um die drei sogenannten kleinen Vorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker. "Kleine" Vorstände, weil ihre Macht in der BAWAG nicht mit jener der früheren Chefs Helmut Elsner und Johann Zwettler zu vergleichen ist.
Diese Rolle hat sie aber nicht vor strengen Strafen bewahrt, Kreuch und Schwarzecker müssten nach dem Urteil von Claudia Bandion-Ortner für 3,5 Jahre ins Gefängnis. Nur Büttner ist mit einer bedingten Haftstrafe davon gekommen.
Egal, ob richtig oder falsch
Sie wurden verurteilt, weil sie angeblich mehrere hundert Millionen Euro Schaden angerichtet haben. Die Anklage bezog sich bei den dreien aber nur auf eine kurze Phase der BAWAG-Spekulationsverluste, eine Phase von wenigen Monaten Ende 1998 Anfang 1999. Damals sollen sie zugeschaut haben, als die BAWAG-Führung dem Spekulanten Wolfgang Flöttl immer neues Geld überwiesen hat.
Geld, das der innerhalb kürzester Zeit verspekuliert hat. Die Generalprokuratur sagt jetzt: Die drei Vorstände hatten keine Möglichkeit, das zu verhindern. Sie seien selbst von Helmut Elsner getäuscht worden. Als sie von den verbotenen Geschäften erfahren hätten, sei das Geld schon weg gewesen. Einfach ausgedrückt: Sie haben sich zwar falsch verhalten. Es hätte aber auch keinen Unterschied gemacht, wenn sie sich richtig verhalten hätten.
Keine Fälschung ohne Untreue?
Das gilt im Grunde auch für den damaligen Vorsitzenden des BAWAG-Aufsichtsrats, Günter Weninger und den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter. Sie seien zwar in die BAWAG-Verlustgeschäfte eingeweiht gewesen, aber zu spät, um sie zu verhindern. Wobei bei Günter Weninger ein bemerkenswerter Punkt dazu kommt: Er hat sich im Prozess teilweise schuldig bekannt, und zwar zum Vorwurf der Bilanzfälschung. Die BAWAG-Bilanzen waren jahrelang gefälscht, um die Verluste geheim zu halten.
Allerdings ist die Bilanzfälschung - vereinfacht ausgedrückt - eine Folge der Untreuevorwürfe. Und wenn die nicht halten, erübrigt sich auch die Verurteilung wegen Bilanzfälschung. Da ändert auch ein Geständnis nichts. Ein Jurist erklärt das mit einem drastischen Beispiel: Ein Beschuldigter kann ruhig gestehen, auf jemanden geschossen zu haben. Wenn sich herausstellt, dass das Opfer schon tot war, wird er trotzdem nicht schuldig gesprochen.
Straffreiheit für schlechte Spekulanten
Ein Geständnis hat im Prozess auch Wolfgang Flöttl abgelegt. Er hat zugegeben, Geld von der BAWAG genommen zu haben, von dem er schon wusste, er würde es nicht zurückzahlen können. Bei Flöttl läuft es im Wesentlichen darauf hinaus, dass man ihm zugesteht, ein sehr schlechter Spekulant gewesen zu sein. Das war zwar schlecht für die BAWAG, ist aber an sich kein Verbrechen.
Und die oft diskutierte Frage, was mit dem Geld passiert ist, ist aus der Sicht der Generalprokuratur unerheblich. Diese Frage ist auch im Prozess nicht beantwortet worden, was ja Helmut Elsner immer bitter beklagt hat.
Sieben Millionen Euro Pension
Apropos Helmut Elsner: Bei ihm und seinen engsten Vertrauten Zwettler und Nakowitz könnte allzu große Erleichterung verfrüht sein. Ihnen wird ja Untreue über mehrere Jahre und mit einem Schaden von rund 1,5 Milliarden Euro vorgeworfen. Bei ihren Urteilen - 9,5 Jahre für Elsner, fünf für Zwetter und vier für Nakowitz - hat die Generalprokuratur weniger inhaltliche als formale Einwände.
Das betrifft bei Elsner auch den Betrugsvorwurf. Elsner hat sich ja fast sieben Millionen Euro Pension auszahlen lassen, wenige Wochen, bevor die BAWAG Ende 2000 de facto pleite war. Dieser Vorwurf könnte, wenn die formalen Fehler ausgeräumt sind, aufrecht bleiben und neu verhandelt werden. Elsner und auch Zwettler und Nakowitz drohen also, auch wenn ihre Verfahren teilweise wiederholt werden, immer noch langjährige Haftstrafen.