Wifo-Expertin zu den Budgetverhandlungen
Strukturreform statt Mosaiksteinchen
Seit Monaten wartet die Öffentlichkeit auf Konkretes. Seit Monaten mahnen die Fachleute ein Handeln der Regierung ein. Zu den stärksten Stimmen darunter gehört Margit Schratzenstaller, die Budget-Expertin des Wirtschaftsforschungs-Instituts Wifo. Sie wünscht sich kohärente Gesamtstrategien statt unkoordinierter Einzelmaßnahmen.
8. April 2017, 21:58
"Mehr Mut zu radikalen Maßnahmen"
Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller im Gespräch mit Peter Daser.
Gelingt nachhaltige Sanierung?
Einige der geplanten Maßnahmen, die von den Budgetverhandlungen im steirischen Loipersdorf durchgedrungen sind, klingen durchaus sinnvoll, glaubt Margit Schratzenstaller. Die beiden Kernfrage seien jedoch: Gelingen große Strukturmaßnahmen, die das Budget nachhaltig sanieren können? Sprich: die großen Ineffizienzen im öffentlichen Sektor beseitigen.
Und: Schafft man es trotz Sparmaßnahmen, wichtige Investitionen in Zukunftssektoren zu tätigen? Hier nennt die Wifo-Expertin vor allem Bildung, Wissenschaft, Umweltschutz und Kinderbetreuung.
Ohne Länder geht gar nichts
Nachdem bei der Regierungsklausur die Länder nicht dabei waren, werden zahlreiche Baustellen aber zwangsläufig offen bleiben. Gerade in den Bereichen Gesundheit, Schulen, Verwaltung könne man keine tiefgreifenden Reformen durchführen, ohne die Bundesländer mit ins Boot zu holen, betont Schratzenstaller. Und das könne mittel- und langfristig gravierende finanzielle Folgen haben. Alleine im Spitalsbereich gebe es ein Einsparungspotential von zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr.
Strukturreform bei Pensionen
Die Einigung zum Thema Hacklerpension begrüßt die Wifo-Expertin grundsätzlich: "Bei den Einschränkungen zur Hacklerregelung, die diskutiert werden, gibt man schon ein wichtiges Signal, dass man hier auch Strukturreformen angehen will". Der Zugang zur sogenannten Hacklerpension dürfte ja künftig erschwert werden. Auch eine moderate Erhöhung der Pensionen könne kurzfristig etwas bringen, langfristig brauche es aber strukturelle Änderungen. Vor allem ein höheres de facto Pensionsantrittsalter.
Mehr Geld für Kinderbetreuung
Ein wenig skeptischer ist Margit Schratzenstaller allerdings, wenn es um Einsparungen bei Familien geht. Hier wird ja diskutiert, die 13. Familienbeihilfe zu streichen. Das Einsparungspotential fürs Budget bezeichnet sie in diesem Bereich als "relativ bescheiden", schließlich koste die 13. Familienbeihilfe insgesamt nur 250 Millionen Euro.
Generell sei die Familienförderung in Österreich stark von Geldleistungen dominiert, kritisiert Schratzenstaller, während es auf der anderen Seite an Betreuungseinrichtungen für Kinder fehle. Sie plädiert dafür, die Geldleistungen einheitlicher zu gestalten und etwaige Einsparungen in Kinderbetreuung zu investieren.
Bildung statt Koralmtunnel
Die geplanten Erhöhungen bei Tabaksteuer, Mineralölsteuer und Vermögenszuwachssteuer begrüßt die Wifo-Expertin. Bedauerlich findet sie allerdings, dass über eine Anhebung der Grundsteuer offenbar nicht diskutiert wurde.
Was sie sich außerdem von der Regierung wünschen würde, wäre mehr Mut zu radikalen Maßnahmen. Stichwort: Koralmtunnel. Dessen volkswirtschaftlicher Nutzen sei ihrer Meinung nach mehr als fragwürdig: "Die acht Milliarden Euro, die er mindestens noch kosten wird, die könnten wesentlich sinnvoller eingesetzt werden. Und zwar in jene Bereich, wo bald das Geld so knapp wird, dass man langfristig Konsequenzen für den Wohlstand Österreichs zu befürchten hat: nämlich Bildung, Wissenschaft und Kinderbetreuung."