Zeichen der Aussöhnung
Tadic in Vukovar
Serbien und Kroatien setzen ein weiteres Zeichen der Aussöhnung: Als erster serbischer Präsident besucht Boris Tadic die Stadt Vukovar. Begleitet wird er vom kroatischen Präsidenten Ivo Josipovic und von Ministerpräsidentin Jadranka Kosor.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 04.11.2010
Krieg und Kriegsverbrechen
1991 wurde die Stadt an der Donau drei Monate von der Jugoslawischen Volksarmee und von serbischen Milizen belagert. Nach dem Fall am Ende November 1991 war Vukovar stark zerstört und auch Schauplatz erster massiver Kriegsverbrechen, denen unter den Augen des Westens noch viele folgen sollten.
Bild einer Stadt
Vukovar muss einst eine liebliche Kleinstadt der österreichisch-ungarischen Monarchie gewesen sein. Davon zeugt die Bausubstanz, die sogar der Krieg nicht vernichten konnte. Doch 15 Jahre nach Kriegsende macht Vukovar weiter einen deprimierenden Eindruck. Viele historische Bauten sind Ruinen und an vielen Häusern sind Einschusslöcher zu sehen.
Suche nach dem toten Vater
Lebendig geblieben sind auch die Gräuel des Krieges. Die Belagerung überlebt hat eine Frau, die wir zufällig auf der Straße ansprechen. Nach dem Krieg arbeitete die 57-jährige zunächst als Krankenschwester in Donaueschingen und dann wieder im Krankenhaus in Vukovar. Ihre Rückkehr begründet sie so: "Ich bin zurückgekommen, um meinen Vater zu finden. Er wurde mit einem Kopfschuss getötet, in die Donau geworfen und tauchte in Serbien irgendwo wieder aus dem Wasser. 13 Jahre wusste ich nicht, wo er ist. Ich habe Blut für die DNS-Analyse gespendet und erst vor drei Jahren erfuhr ich, dass er dort ist, und dann habe ich ihn zurückbekommen, um ihn hier begraben zu können."
"Besuch stört mich nicht"
450 Bewohner Vukovars werden noch immer vermisst. Aufklärung über ihr Schicksal erhofft sich Kroatien von Boris Tadic, der am Donnerstag als erster serbischer Präsident die Stadt besucht. Wie steht die mittlerweile pensionierte Krankenschwester zu dieser politischen Geste: "Mir persönlich bedeutet das nichts. Ich denke, dass er jetzt stellvertretend hierher kommt. Er kommt im Namen seines Volkes, um es zu rechtfertigen, doch als Mensch ist er nicht schuldig. Sein Besuch stört mich nicht".
"Es gibt keine Freundschaft mehr"
Noch kritischer ist ein pensionierter Veteran, der im Krieg in Vukovar gekämpft hat: "Solange sie keine Kriegsentschädigung zahlen und sich nicht für das entschuldigen, was sie angerichtet haben, ist das für mich keine Entschuldigung." Und wie steht es um das Zusammenleben mit den Serben? Funktioniert es, fragen wir den Mann: "Mehr oder weniger ja, doch es gibt keine Freundschaft mehr zwischen uns und ihnen. Das ist nicht mehr annähernd so wie früher, doch wir müssen eben gemeinsamen leben."
Triste Wirtschaftslage
Etwas mehr als 30.000 Bewohner zählt die Donau-Stadt Vukovar, das ist um ein Viertel weniger als vor dem Krieg. Ein Drittel der Einwohner sind Serben; prozentuell entspricht das dem Vorkriegswert, doch absolut gesehen ist ihre Zahl gesunken. Die Rückkehr der Serben erschwert auch die triste Wirtschaftslage. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 20 Prozent, und mit 450 Euro netto liegt der Monatslohn um mehr als ein Drittel unter dem kroatischen Durchschnitt. Das ist auch eine Folge des Krieges, aber nicht nur; daher ist auch Erbitterung über die kroatische Führung deutlich spürbar. So sagt unsere pensionierte Krankenschwester: "Nur am 18. November, am Tag des Falls der Stadt, kommt man nach Vukovar und besucht alles, doch alle übrigen Tage im Jahr macht man einen Bogen um Vukovar. Das ist die Wahrheit. Natürlich, wenn jetzt Wahlen bevorstehen, kommen wieder alle, doch dann wird alles wieder sehr rasch vergessen."
Nur ein Anfang
Politische Gesten wie der Besuch des serbischen Präsidenten Boris Tadic sind daher nur ein Anfang. Aussöhnung und Rückkehr setzen auch Wohlstand voraus und dabei ist die kroatische Politik gefordert. Denn vom Nimbus der Heldenstadt allein können die Bürger Vukovars nicht leben.