RSO Wien und Arditti Quartett bei Wien Modern

Orchester und Streichquartett gemeinsam

Gemeinsame Konzerte für Orchester und Streichquartett sind im Konzertalltag eher selten zu finden. Im Rahmen von Wien Modern bestreiten das ORF Radiosymphonieorchester Wien und das Arditti Quartett am 5. November 2010 ein ganzes Programm mit Werken in eben dieser Kombination im großen Saal des Wiener Musikvereins.

Kulturjournal, 05.11.2010

Stauds "Winternächte" neu komponiert

Es sind drei von ihrem Charakter her gänzlich unterschiedliche Werke, die eines zum Ziel haben: die Hommage an das Streichquartett an sich. Morton Feldman mit seinem Werk aus dem Jahr 1973, Pascal Dusapin, der sein Werk für die Musiktage von Donaueschingen geschrieben hat, wo es auch im vergangenen Jahr uraufgeführt wurde, und der Österreicher Johannes Maria Staud, der im Auftrag von ORF, Radiosymphonieorchester Wien und Wien Modern ein Werk mit dem Untertitel "Über trügerische Stadtpläne und die Versuchungen der Winternächte" geschrieben hat, das heute uraufgeführt wird. Stauds Beobachter werden erkennen, dass es sich hier um die Bearbeitungen eines Jugendwerks des Komponisten handelt. Für Staud lag der Reiz in der Kombination großes Orchester/Streichquartett, das er wie einen Solisten behandelt.

"Es sind so spezielle Zwitter, weil sie zwischen Kammermusik und Orchestermusik stehen", meint Staud. "Das Klaviertrio oder das Streichquartett sind sozusagen Besetzungen, die man aus der Kammermusik oder der Musik für Expertenkenner sehr gut kennt, das heißt an sich versucht man etwas Unmögliches: Musik für den Kenner mit großer Besetzung zu kombinieren. Aber das gibt eben interessante Zwischenfarben und ich kann Ihnen versichern, das Stück war nicht einfach zu komponieren".

Für Staud war diese Neukomposition eine spezielle Herausforderung, "weil ja das Streichquartett für sich schon ein kleines Orchester darstellt. (...) Es ist ja eigentlich ein kleines Orchester – das hab ich versucht, zu thematisieren." Genauso wie Pascal Dusapin, dessen Werk bei diesem Konzert zum ersten Mal in Österreich zu hören ist und der das Quartett mit Orchesters in die Serie seiner bisher sieben Quartette eingebunden hat. Feldman wiederum lässt den Klängen ihren Raum, er zeigt die typisch Feldman'sche Klangpoetik, der sich am Ende auch die Musik unterordnen muss.

Unterschiedlicher Umgang mit Streichquartett

Das Arditti Quartett zählt zu den international gefragtesten und preisgekröntesten Kammermusikformationen überhaupt. 170 CD-Einspielungen sprechen für sich. Immer wieder schreiben Komponisten für eben dieses Quartett - die Vier schöpfen also, was zeitgenössische Musik betrifft, aus dem Vollen, und sie versuchen auch schon seit längerem die Kombination Orchester/Streichquartett "salon-, also konzertfähig" zu machen. Und das immer öfter mit Erfolg. Allein in Wien waren sie im vergangenen Jahr zweimal in eben dieser Kombination zu hören.

Den Abend im Musikverein bezeichnet Irvine Arditti übrigens als besonders interessant: "Noch ist die Kombination nicht so oft auf den Konzertplänen zu finden, aber nach und nach setzt sie sich durch und bekommt langsam Tradition. Wir sehen das daran, dass uns immer wieder junge Komponisten fragen, ob sie ein Stück für uns gemeinsam mit Orchester schreiben dürfen. Dieser Abend ist deshalb so interessant, weil wir drei unterschiedliche Komponisten haben, die mit dem Streichquartett auf ganz unterschiedliche Weise umgehen. Feldmans Umgang ist sehr zart und sanft und man wird vergeblich einen Rhythmus suchen. Dusapin wird mich wahrscheinlich umbringen, wenn er mich sagen hört, dass er für mich der klassischste unter den Dreien ist. Und Staud ist auch deshalb so interessant, weil sein Werk ja ursprünglich ein Streichquartett war und er es um das Orchester erweitert hat, dem Orchester vieles gegeben hat, das wir vorher gespielt haben. Und so ist es eigentlich ein Dialog zwischen Orchester und Streichquartett geworden."

Textfassung: Ruth Halle