Staat greift nicht mehr unter die Arme

Arbeitslosensystem wird radikal umgestellt

Die Regierung von Premierminister David Cameron in Großbritannien zieht jetzt für Arbeitsunwillige andere Saiten auf. Eine radikale Sozialreform soll die ständig wachsende Kultur der Abhängigkeit vom Staat drosseln.

Auf der Insel gibt es geschätzte 4 Millionen Haushalte, in denen niemand arbeitet. Nicht, weil keine Stellen verfügbar sind, wie die britische Regierung argumentiert, sondern weil die Arbeitslosen mit den Beihilfen besser dran sind, als wenn sie einer Beschäftigung nachgehen würden. Die staatlichen Ausgaben sind in den letzten zehn Jahren durch einen Wildwuchs im Sozialhilfesystem massiv gestiegen. Mehr als 30 verschiedene Beihilfen gibt es, eine genaue Zahl kann nicht einmal das britische Arbeitsministerium nennen, das System soll jetzt vereinfacht werden.

Arbeitsminister Ian Duncan Smith präsentiert eine umfassende Reform mit drakonischen Strafen für jene, die sich nicht an die neuen Regeln halten. Er verspricht, jede Art von Arbeit wird sich in Zukunft wieder auszahlen - Ausreden nichts zu tun, werde es nicht mehr geben.

Mittagsjournal, 11.11.2010

Arbeiten um weniger Geld

Wer arbeiten kann, muss in Zukunft jede Stelle annehmen, oder es gibt keine Hilfe mehr vom Staat. Die britische Regierung versucht mit dieser harten Bedingung, die ständig wachsende Zahl an Langzeitarbeitslosen zu drosseln. In manchen In manchen Gegenden des Landes ist derzeit bis zu ein Viertel der Bevölkerung ohne Arbeit, ganze Ortschaften gelten als Sozialhilfe Ghettos, selbst die Arbeitsämter raten den Betroffenen ab, eine Stelle anzunehmen: "Ich habe mir das ausrechnen lassen, wenn ich halbtägig arbeiten würde hätte ich weniger Geld als jetzt. Wir müssen diese Menschen wieder in den Arbeitsprozess integrieren, wir haben in unserer Siedlung Leute die seit 20 Jahren nicht gearbeitet haben, ich kann nicht verstehen wie man nur rumsitzen kann."

Weniger Zuschüsse vom Staat

Die Sozialreform ist radikal und setzt an mehreren Punkten gleichzeitig an: Betroffene sollen durch ehrenamtliche Tätigkeiten wieder an Arbeit gewöhnt werden. Sie müssen z.B. Abfall einsammeln oder Parkbänke streichen. Die Regierung hilft durch spezielle Programme jenen die mit Alkohol oder Suchtgiftproblemen kämpfen und reformiert das komplizierte Beihilfen-System. Es soll durch einen sogenannten Universal Credit ersetzt werden, einer Beihilfe, die für alle gilt und erst Schritt für Schritt gekürzt wird, wenn der Beschäftigte nicht mehr auf Hilfe vom Staat angewiesen ist, sagt Arbeitsminister Ian Duncan Smith: "Ich hoffe dass wir durch dieses vereinfachte System den Menschen helfen, zu verstehen, wie viel Geld sie wirklich in der Tasche haben, wenn sie arbeiten gehen, es geht darum, dass sich Arbeit immer auszahlen soll und jeder besser dran ist, wenn er eine Stelle hat anstatt von der Sozialhilfe lebt."

Jobs müssen angenommen werden

Der Arbeitsminister sieht die Reform als einen Vertrag zwischen den Sozialhilfeempfängern und dem Steuerzahler, bei einem Vertragsbruch gibt es harte Strafen. Wer eine angebotene Stelle ablehnt, nicht zu Vorstellungsgesprächen auftaucht oder gemeinnützige Arbeit verweigert bekommt keine Hilfe mehr vom Staat: "Wir werden die Beihilfen kürzen, beim ersten Verstoß für drei Monate, beim nächsten Mal für sechs Monate und schließlich für drei Jahre." Die britische Regierung geht davon aus, dass es nur in Einzelfällen so weit kommen wird.

Ziel: 300.000 Beschäftigte mehr

Bis in drei Jahren sollen durch die Reform 300.000 Arbeitslose wieder in Beschäftigung sein. Kritiker sagen allerdings, dass die Strafen schwer zu exekutieren sein werden und das neue System zunächst einmal die Kosten nach oben treibt. Die Reform ist innerhalb der konservativ-liberaldemokratischen Koalition zudem sehr umstritten. Premierminister David Cameron geht ein hohes politisches Risiko ein. Zum Wohl für alle wie er sagt.