Kulinarische Schmankerln
Unterwegs in Europa
Kaum ein anderer Kontinent der Erde vereint auf so kleinem Raum eine derartige Vielfalt an Kulturen wie Europa. Dennoch - oder vielleicht gerade deswegen - sind zahlreiche europäische Gegenden außerhalb ihrer Herkunftsgebiete kaum bekannt.
8. April 2017, 21:58
Einfach essen in der Weststeiermark
Berühmt geworden ist Reinhard P. Gruber durch das Buch "Aus dem Leben Hödlmosers", dann folgten das Schilcher-Abc, Übersetzungen von Asterix-Heften ins Steirische, ein Gedichtband, das Piefke-Wörterbuch, der Reisebericht "Einmal Amerika und zurück" und zwei Gruber-Comics in Zusammenarbeit mit dem Zeichner Paul Scherübel - einschlägiger Titel des einen: "Der Schilcherkrieg".
Zuhause ist Reinhard P. Gruber, der zuletzt auch das Kochbuch "einfach essen" herausgebracht hat, in der Nähe von Stainz in der Weststeiermark in der Nachbarschaft der Kulturwirtschaft "Rauchhof".
Lederäpfel und frische Kräuter
Dass Essen eine wichtige Rolle im Leben des Reinhard P. Gruber spielt, liegt auf der Hand - und das nicht nur, weil er in einen Landgasthof eingeheiratet hat. Die logische Konsequenz war nun, ein ganz besonders Buch zu schreiben: "einfach essen" - ein Kochbuch für harte Zeiten. Von knisternden Semmeln, duftenden Lederäpfeln und frischen Kräutern aus dem Garten ist in dem Kochbuch für harte Zeiten die Rede, und natürlich auch auch von den Produkten der Weststeiermark. Wenn Reinhard P. Gruber ein Kochbuch schreibt, dann geht es nämlich mit Sicherheit nicht um gratinierte Garnelenschwänze oder Hummerparfaits, sondern um die bodenständigen Genüsse, nach dem Motto: "Das Essen beginnt nicht mit der Vorspeise. Das Essen beginnt mit dem Hunger."
Reinhard P. Gruber bringt dem Leser seine Gedanken über das Kochen und den Umgang mit Nahrungsmitteln auf seine so ganz besondere Art nahe: mit einer gehörigen Brise Ironie und Formulierfreude, sowie mit großer Sympathie für das Einfache. Da haben internationale Starköche und trendige Kochshows keinen Platz. Denn zum Genießen braucht es nicht den Luxus, genießen kann man auch die einfachen Dinge der Küche. Denn, so schreibt Reinhard P. Gruber: "Nicht das bessere Essen bringt den höheren Genuss, sondern das Genießen des einfachen Essens führt zum besseren Leben".
Im Tal von Konavle
20 Jahre nach Ausbruch des Balkankriegs sind die meisten Schäden im Dreiländereck von Kroatien, Montenegro und Bosnien-Herzegovina und in der Hafenstadt Dubrovnik repariert. Österreichische und internationale Investoren haben sich der alten, etwas ramponierten Hotelanlagen angenommen und sie teilweise reaktiviert. Österreichische Urlauber zieht es längst wieder verstärkt in eines ihrer früheren Lieblingsreiseländer.
Der Süden Kroatiens allerdings ist - trotz der sehenswerten und bekannten Altstadt von Dubrovnik immer noch ein Geheimtipp. Kaum ausländische Touristen verschlägt es bislang ins Tal von Konavle. Dort ist mit Biobauern, Seidenraupenzüchter, Weinbauern und einheimischen Künstlern eine sehr ursprüngliche kroatische Lebensart noch lebendig.
Biologische Landwirtschaft in Radovici
"Beinah der ganze Ort war durch den letzten Krieg zerstört!", erzählt Irina Crncevic. Die junge Frau hat gemeinsam mit ihrem Mann Luka im Ort Radovici den alten Bauernhof ihrer Familie nach dem Balkankrieg in mühsamer Handarbeit wieder in Stand gesetzt und richtet auf Anfrage Feste, Feiern und in Kooperation mit dem Kulturverein Lindo-Dubrovnik folkloristische Abende in authentischer Umgebung aus.
Durch eine schmale Holztüre gelangt man zunächst in die ehemalige Rauchküche und dann in den Konoba, den Weinkeller. Die Familie Crncevic setzt - auch in der Hoffnung auf eine positive Reaktion der Touristen und Stadtbewohner - zunehmend auf biologischen Landbau. Die Familie Crncevic hat kurzerhand den Gemüsegarten aktiviert. Dort gedeihen Zucchini, Auberginen, Zwiebel, Salat, Tomaten und Paprika.
Für die Kartoffeln, die auf ganz kleinen Feldern angebaut werden und ganz unterschiedlich schmecken, ist die Region bekannt. Aus diesem biologisch gezogenen Gemüse bereiten die Frauen herrlich bodenständige Gerichte zu. Der "prsut", der luftgetrocknete Schinken, sowie der in der Rauchküche geräucherte Speck und der Schafkäse dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Unterwegs im Vinschgau
Nähert man sich über den Reschenpass dem Vinschgau an, ragt aus dem Stausee der eckige Turm der Reschener Kirche - ein Wahrzeichen der Region, die lange Zeit als "Armenhaus Tirols" verschrien war. Die Gegend ist extrem trocken. Für sonnenhungrige Touristen ist dies heute ein Segen, für die Bauern war dieser Umstand Jahrhunderte lang ein großes Problem, das sie mit einem ausgeklügelten Bewässerungssystem zu meistern verstanden. Heute kann man entlang dieser sogenannten "Waalwege" geführte Wanderungen unternehmen und in die Alltagsgeschichte des Vinschgau eintauchen, aber auch in der Prokulus-Kirche, einer der ältesten Kirchen des deutschen Sprachraums, frühmittelalterliche Malereien besichtigen.
Heinrich Koch, der sich um die Kirche kümmert, ist überzeugt, dass das Gebäude mit seinen meterdicken Wänden aus dem 7. Jahrhundert eigentlich ein alter Kultplatz ist - ein Ort, der schon in heidnischer Zeit für kultische Handlungen genützt wurde. Möglicherweise war hier einst ein römischer Tempel, der bei der Christianisierung zu einer Kirche umfunktioniert worden war.
Der Mönch auf der Schaukel
Durch Zufall machte man im Jahre 1923 einen ungewöhnlichen Fund, erzählt Heinrich Koch. Bis dahin dachte man, die einzige Wandbemalung der Prokulus-Kirche seien die gotischen Fresken. Sorgfältig legte man - unter Bewahrung der gotischen Malerei - die darunter liegende Schicht frei und stieß auf eine höchst bemerkenswerte Bilderwelt, die auch heute noch zu sehen ist: orientalisch anmutende Figuren, Tiere, wundersame Engel und ein Mönch auf einer Schaukel! Die ältesten Fresken im deutschsprachigen Raum!
Eine ähnliche Zeichentechnik findet sich nur im irischen Book of Kells wieder. Für Heinrich Koch ist es beinahe ein Wunder, dass diese vorkarolingischen Fresken an die 1.300 Jahre an den meterdicken Wänden überdauert haben.
Service
Reinhard P. Gruber, "Einfach essen! Ein Kochbuch für harte Zeiten", Verlag Droschl
Lore Mare Bieger, "Kroatische Inseln und Küstenstädte", Michael Müller Verlag
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