Kompliziertes Auslieferungsverfahren

Vielschichtiger Justizfall Assange

Die schwedische Staatsanwaltschaft hat am Dienstag gegen eine Enthaftung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange auf Kaution berufen. Unabhängig davon geht das Auslieferungsverfahren weiter. Die Entscheidung, ob Großbritannien Assange an Schweden ausliefert, ist eine rechtlich komplizierte Angelegenheit.

Mittagsjournal, 15.12.2010

"Listendelikte"

Im schwedischen Recht werden Assanges Handlungen möglicherweise als Vergewaltigung gewertet. Das müsste ein Gericht entscheiden. In Österreich etwa wären die bisher bekannten Fakten nicht strafbar, heißt es im österreichischen Justizministerium. Wird allerdings - wie es bei Assange der Fall ist - ein europäischer Haftbefehl ausgestellt, gibt es eine Liste von Delikten, bei denen Länder nicht überprüfen, ob das Delikt strafbar ist oder nicht. Vergewaltigung zählt zu diesen Delikten. Das würde bedeuten, Großbritannien müsste Assange in jedem Fall ausliefern. So einfach ist die Sache aber nicht.

Britisches Recht ist anders

Denn das britische Auslieferungsverfahren gilt als höchst komplex, erklärt Oberstaatsanwältin Ursula Koller. Sie vertritt Österreich bei der europäischen Justizagentur Eurojust. Und sie weist darauf hin, dass im Vereinigten Königreich bei jedem Delikt, auch wenn es auf der Liste steht, geprüft wird, ob etwa die Menschenrechtskonvention verletzt würde. "Das bedeutet, dass ein Betroffener in England sich immer auf solche Rechte berufen kann und damit grundsätzlich erreichen kann, dass das Gericht eine gewisse Prüfung durchführt."

Sonderfall USA

Das britische Gericht hat bis zu 90 Tage Zeit, über die Auslieferung Assanges nach Schweden zu entscheiden. Sollte in der Zwischenzeit auch ein internationaler Haftbefehl aus den USA einlangen, dann müssten die britischen Behörden abwägen, welcher Haftbefehl schwerer wiegt, sagt Koller. Bei einem internationalen Haftbefehl aus den USA kämen aber die Listendelikte nicht zur Anwendung.

Auch wenn ein internationaler Haftbefehl einlangt, wenn Assange bereits nach Schweden ausgeliefert ist, müsste Großbritannien einer Auslieferung in die USA ebenso zustimmen wie Schweden. Und hier müsste intensiv geprüft werden, ob eine Auslieferung nicht bestimmten Grundrechten nichtwiderspräche: etwa dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Recht auf Informationsfreiheit.

Kautionsentscheidung folgt

Julian Assange befindet sich weiter in Untersuchungshaft. Ob er gegen Kaution entlassen wird oder nicht, wird das Oberste Zivilgericht in London erst am Donnerstag entscheiden. Assanges Anwälte haben nach eigenen Angaben bisher rund die Hälfte der geforderten Kaution in der Höhe von umgerechnet knapp einer Viertelmillion Euro zusammen.

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