Fekter in Moskau

Tschetschenen und Soldatengräber

Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) unterschreibt in Moskau ein Abkommen, das Abschiebungen nach Russland regelt. Außerdem übergibt sie eine Liste der Gräber von 60.000 Sowjetbürgern, die während und nach dem zweiten Weltkrieg in Österreich gestorben sind. Für die russische Seite hat dieser Schritt besondere Bedeutung.

Mittagsjournal, 16.12.2010

Polizeireform: Vorbild Österreich?

Das russische österreichische und das Innenministerium haben eines gemeinsam: Die Gebäude beider Ministerien sind weiß - sonst haben das kleine Palais in der Wiener Herrengasse und die neunstöckige Betonburg im Moskauer Stadtzentrum wenig gemeinsam. Der russische Innenminister Rashid Nurgaliew gilt als enger Vertrauter von Premier Wladimir Putin - und er soll durchführen, was Österreich vor fünf Jahren hinter sich gebracht hat: eine grundlegende Reform der Sicherheitskräfte. Auch hier will Russland wenigstens ein bisschen von Österreich lernen, sagt Nurgaliew.

Tschetschenen und OK

Österreich hat konkretere Anliegen, sagt die österreichischen Innenministerin Fekter: Sie will über Kooperationen gegen die organisierte Kriminalität (OK) wie Schlepperei und Menschenhandel sprechen und vor allem über die tschetschenischen Asylwerber. Erst vor einer Woche wurde in Österreich ein Tschetschene verhaftet, der an der Vorbereitung von Terroranschlägen in Belgien beteiligt gewesen sein soll. Ein Thema, dass laut Fekter mit den russischen Behörden besprochen werden soll.

Lokalaugenschein für Asylbeamte

Etwa 25.000 Tschetschenen leben in Österreich, die Mehrheit von ihnen hat politisches Asyl bekommen. Österreich erkennt also an, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Flucht in Russland verfolgt wurden - zuletzt ist die Anerkennungsrate allerdings drastisch gesunken. Dass aufgrund des Abkommens mehr Menschen in die Unruhegebiete im russischen Nordkaukasus abgeschoben werden glaubt Fekter nicht: "Wir prüfen ja jeden Fall einzeln. Wir werden daher ersuchen, dass Bundesasyl-Beamte dorthin reisen dürfen und sich selbst ein Bild von der Lage machen können im Hinblick auf bewaffnete Konflikte, Versorgung und Verfolgung."

Gräber: "Russland bricht ein Tabu"

Am Abend wird im Kreml außerdem eine Liste der Gräber von 60.000 Sowjetbürgern übergeben, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich gestorben sind - Kriegsgefangene, Soldaten, Flüchtlinge - erklärt der Historiker Stefan Karner, der die Liste zusammengestellt hat: "Russland bricht zum ersten Mal jetzt ein Tabu auf und fragt nach dem Schicksal von in der Stalinzeit so bezeichneten 'Vaterlandsverrätern'. Nunmehr können die Menschen in Russland fragen: Was ist mit ihren Angehörigen gewesen, wo liegen sie begraben. Und damit setzt Österreich eine große humanitäre Geste." Russland weiß diese Arbeit sehr zu schätzen: Dass eine einfache Ministerin einen Termin im Kreml bekommt, ist normalerweise praktisch ausgeschlossen.

Übersicht

  • Sicherheit