Rechtlos im diplomatischen NIemandsland

Rom: Somalier hausen in Botschaft

Wenn sich ein Staat und seine Strukturen auflösen, dann gibt es zwar ein Botschaftsgebäude, aber keine Diplomaten mehr, die darin arbeiten. In Rom sind in die ehemalige Botschaft Somalias hunderte gestrandete Somalis eingezogen. Sie haben dort zwar ein humanitäres Aufenthaltsrecht - aber sie bekommen nichts vom Staat.

Morgenjournal, 31.12.2010

Eine Reportage aus Rom von

Immer wieder zurückgebracht

Seit drei Jahren ist Abdi Alih in Italien. Er ist zwar nicht als Flüchtling anerkannt, hat aber ein humanitäres Bleiberecht. In einer vergilbten Klarsichthülle hat er seine Dokumente. Er hat schon mehrere Male versucht, Italien zu verlassen. Doch wie alle hier hat er sich einen Ort in Europa besonders eingeprägt: Dublin. Denn nach der irischen Hauptstadt ist jenes Abkommen benannt, das besagt, dass Flüchtlinge in ihrem Erstaufnahmeland bleiben müssen: "Ich habe versucht, in ein anderes europäisches Land zu kommen – aber sie haben mich immer wieder zurückgebracht. Aus Finnland, aus Schweden, ich war auch in Irland. Ich bin immer wieder hierhergebracht worden."

Keine Regierung, keine Diplomaten

Hier – das ist eigentlich eine der vornehmsten Villengegenden Roms. Eine Botschaft reiht sich an die nächste. Auch das Gebäude der somalischen Botschaft ist hier. Oder zumindest das, was davon noch über ist. Denn vor sieben Jahren sind die Diplomaten ausgezogen. Eine Regierung gibt es nicht mehr – auch keine Diplomaten. Im Innenhof stehen noch zwei Autowracks. Ein alter Mercedes mit Diplomatenkennzeichen. Das Gebäude ist eine Ruine. Hier hausen 300 Somalis. Sie dürfen zwar im Land bleiben – aber sie bekommen keine Unterstützung.

Offenes Feuer in der Ecke

Ich gehe mit Alih ins Haus, das Stiegenhaus hinauf. Es gibt keinen Strom, kein Gas. Und nur ein Schlauch vom Nachbarn fürs Wasser. Überall türmt sich der Müll. Ganz oben kommen wir in eines der Zimmer, in dem rund zwanzig Menschen auf Matratzen liegen. In der Ecke ein offenes Feuer. - "Hier leben wir – hier schlafen wir. Wenn wir kochen, dann machen wir ein offenes Feuer – wir heizen mit Spiritus. Das ist sehr gefährlich." - Ein Bursch ist gerade mal fünfzehn, erzählt sein Freund: "Er ist vor zwei Jahren hergekommen. Er ist krank." Er hat Fieber, er zittert. Im Raum hat es nur ein paar Grad Plus, aber es gibt nur eine dünne Decke zum Zudecken.

"Dublin ist wie HIV"

Medizinische Versorgung gibt es nicht. Auch zum Essen müssen sich die Menschen hier alles selbst organisieren. Meist stehen sie stundenlang bei den Armenausspeisungen an. Deshalb wollen sie alle weg von hier. Doch das Hindernis schein unüberwindlich: "Das Problem heißt Dublin", sagt einer der Männer. "Dublin, das ist wie HIV. - Wie HIV das bringt dich um."