Letzter Ausweg aus der Krise

Fiat vor Totalumbau

Fiat-Chef Sergio Marchionne ist gerade dabei scheinbar Unmögliches anzugehen: den größten Industriekonzern Italiens kräftig umzubauen und auf internationale Standards in Sachen Produktivität und Innovation zu bringen. Dazu hat es jetzt eine Einigung mit den Gewerkschaften auf ein neues Tarifmodell für das Hauptwerk gegeben. Und die Autosparte ist jetzt auch an der Börse vom Rest des Konzerns getrennt.

Mittagsjournal, 03.01.2011

Einigung mit Gewerkschaften

Der Fiat-Boss Sergio Marchionne ist ein Mann der klaren Worte: Italien müsse sich ändern, es sei: Korrupt, Innovationsfeindlich und unproduktiv. Von den zwei Milliarden Euro Gewinn den Fiat 2010 gemacht hat, stammt kein einziger Euro aus einem italienischen Standort.

Doch an Reformen sind in Italien, im Land des Dauerstreiks und der Gewerkschaftsmacht schon viele gescheitert. Umso bemerkenswerter Marchionnes Erfolge. Er konnte sich jetzt für das Turiner Hauptwerk mit den meisten Gewerkschaften auf neue flexiblere Tarifverträge einigen. Hier in Italien muss man sich aber nicht nur mit einer Gewerkschaft einigen sondern mit vielen.

Erfolg für Italien

Die meisten haben zugestimmt – und gegen sich pragmatisch wie Raffaele Bonnani von der Gewerkschaft CISL: "Das ist ein großer Erfolg, damit sichern wir die Zukunft des Werkes in Turin und der Arbeiter dort. Aber es ist auch ein Erfolg für Italien, weil es weitere Investitionen in die italienische Industrie nach sich ziehen wird". Die Gewerkschaften haben einer deutlichen Arbeitszeitflexibilisierung zugestimmt – dafür wird ins Turiner Werk eine Milliarde Euro investiert.

Aufsplitterung des Konzerns

Es gibt auch Gegenstimmen. Die größte Gewerkschaft will dem Deal nicht zustimmen so Maurizio Landini Gewerkschaftssekreär der FIOM: Wir akzeptieren diesen Abschluss nicht, weil es den Flächentarifvertag unterläuft – und die Vertragsrechte der Mitarbeiter beschneidet - und ihre Arbeitssituation verschlechtert.

Doch das wird wohl die Entwicklung nicht stoppen können. Mit dem heutigen Neustart an der Börse beginnt ein neues Zeitalter. Erstmals ist die Autosparte vom Rest des Konzerns getrennt. Das bringt den Vorteil viel flexibler agieren zu können – aber den Nachteil die Verluste nicht mehr im Konzernergebnis verstecken zu können. 2011 wird Fiat seine Anteile an Chrysler ausbauen. Zunächst von derzeit 20 auf 35 Prozent. Später sollen es 51 Prozent sein. Der nächste Schritt ist eine deutlich engere Zusammenarbeit der Fabriken über den Atlantik hinweg. Doch obwohl Marchionne in Italien als Fiat-Retter gefeiert wird – sehen es viele auch mit Skepsis wie der Konzern aufgeteilt wird. Denn das macht auch die Veräußerung von Unternehmensteilen leichter. Irgendwo müssen ja die gewaltigen Summen her, die Fiat in den kommenden Jahren investieren will.

Nationale Symbole wanken

Zur Debatte stehen der Verkauf der notorisch defizitären Alfa Romeo Sparte an Volkswagen – und der Börsegang von Ferrari. Sollte dieses nationale Symbol des Stolzes mehrheitlich ans Ausland gehen, wäre das eine emotionale Katastrophe fürs Land. Viele sehen überhaupt die anstehende Amerikanisierung des Konzerns mit Skepsis. Doch ob der Pragmatiker Marchionne auf diese Art der Gefühle Rücksicht nehmen wird – ist mehr als zweifelhaft.

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