Zustand im Land noch immer dramatisch

Ein Jahr nach Haiti-Beben

Es war am 12. Jänner 2010 kurz vor 17 Uhr als in Haiti die Erde bebte. Ein Erdbeben von unglaublicher Stärke, 7,2 auf der Richterskala, mit einem Epizentrum nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Port au Prince entfernt. Damals war das Ausmaß der Zerstörung nicht sofort klar, denn in nur einer Minute war das Ganze Land von der Außenwelt abgeschnitten.

Morgenjournal, 12.01.2011

Hunderttausende Tote

Als am 12. Jänner 2010 die Erde bebt, sind viele Bewohner von Port au Prince noch bei der Arbeit. Nach nur einer Minute liegt die ganze Hauptstadt in Trümmern. Es herrscht das totale Chaos. Alle Verbindungen nach Haiti sind gekappt. Zuerst spricht man von einigen hunderten Toten, aber bald schon von tausenden und dann von hunderttausenden. Ein Großteil der Gebäude ist eingestürzt, darunter der Präsidentenpalast, die Kathedrale und die Zentrale der Vereinten Nationen. Der Chef der UNO-Mission befindet sich unter den Opfern.

Häuser eingestürzt

Die schlecht gebauten Gebäude sind wie Kartenhäuser eingestürzt. Aber die Wucht des Bebens hat auch massive Gebäude zerstört. Die eingestürzte Kuppel des Präsidentenpalastes wirkt wie ein Symbol des Desasters. Davor Präsident René Préval, verzweifelt. Er weiß nicht wo er hin soll: "Ich kann nicht in meinen Palast, ich kann nicht nach Hause, beide sind zusammengestürzt."

Cholera bricht aus

Die gesamte Infrastruktur ist zusammengebrochen, es gibt kein Wasser und keine Nahrung und keinen Strom. In der Nacht nach dem Beben beginnen die ersten Plünderungen. Monate danach leben immer noch hunderttausende in Zelten. Und dann bricht noch die Cholera aus. Tausende sterben an der Epidemie.

Morgenjournal, 12.01.2011

ORF Korrespondetin Nadja Bernhard im Ö1 Interview mit

"Schockiert über Zustand"

"Man kann nur schockiert sein über den Zustand des Landes", sagt die ORF Korrespondentin Nadja Bernhard. Port au Prince sehe genauso aus, wie das Erdbeben, die Hauptstadt vor einem Jahr hinterlassen hat. Zwei wichtige Maßnahmen haben nicht stattgefunden, sagt Bernhard: "Die Stadt ist vom Schutt nicht befreit worden. Es stehen überall Häuserskelette. Bauarbeiten sind nicht möglich. Ich bin seit vier Tagen hier und habe keinen einzigen Bagger gesehen. Außerdem wäre es sehr wichtig, dass diese Zeltlager aufgelöst werden. Man müsste die Zeltbewohner in ländliche Gebiete bringen oder Sozialbauten errichten. Ich habe unheimliches Leid dort gesehen. Choleraerkrankte, die sicher nicht überleben werden. Banden haben sich in diesen Zeltlagern gebildet. Amnesty International hat berichtet, dass es täglich zu Massenvergewaltigungen kommt. Die Situation hat sich verschlechtert, nicht verbessert in dem einen Jahr."

"Regierung fehlt"

Die Nothilfe habe perfekt funktioniert. Aber der Prozess des langfristigen Wiederaufbaus ist ins Stocken geraten, sagt Bernhard: "Das Problem ist, dass hier in Haiti die Regierung fehlt. Größere Hilfsorganisationen haben einfach keinen Ansprechpartner. Es gibt viele Gegenden, wo absolut nichts passiert ist. Nur zwei Drittel, der von UN-Nationen versprochenen Hilfsgelder, sind angekommen. Ein Neuanfang kann nur mit einer neuen Regierung funktionieren, die dann endlich die Eigentumsfragen klärt oder die Baugenehmigungen schneller erteilt."

Trauertag in Haiti

Über den heutigen Jahrestag wollen viele Menschen aus Haiti nicht reden. Alle Schulen und Behörden bleiben heute geschlossen und in den Kirchen sind Messen geplant, sagt Nadja Bernhard.