Spielfilm von Elisabeth Scharang
Vielleicht in einem anderen Leben
In Dokumentationen und Fernsehfilmen hat sich Regisseurin Elisabeth Scharang schon mehrfach mit Nationalsozialismus und Fremdenfeindlichkeit befasst. Jetzt hat Elisabeth Scharang ihren ersten Kinospielfilm gedreht. Das Holocaust-Drama "Vielleicht in einem anderen Leben" basiert lose auf der Theater-Groteske "Jedem das Seine" von Peter Turrini und Silke Hassler.
8. April 2017, 21:58
Synchron, 20.01.2011
Elisabeth Scharang im Interview
Im Frühling 1945 wird eine Gruppe ungarischer Juden durch die österreichische Provinz getrieben, Ziel ist das Konzentrationslager Mauthausen. Bewacht wird der Zug von einem SS-Mann, ein Mann des Volkssturms und der örtliche Gendarm beteiligen sich.
Regisseurin Elisabeth Scharang hat sich im Vorfeld eingehend mit dem Thema Todesmärsche auseinandergesetzt. Sie kenne viele Erzählungen, zum Beispiel aus Eisenerz, wo sich die SS gegen den Volkssturm gestellt hat mit der Begründung: "Die sind Eigentum des Deutschen Reiches und müssen unversehrt ins KZ gebracht werden. Also diese Absurdität, jemanden aufgrund einer Liste wohin zu bringen, um ihn nach einer Liste dort dann ermorden zu können!", so Scharang.
Mittagsjournal, 18.01.2011
Gewissensfrage spaltet Ehepaar
Im Film macht die Gruppe in einem kleinen Dorf Halt. Bald darauf bricht das Nazi-Regime zusammen. Die Ausrede des Befehlsnotstands ist damit nicht mehr gültig. Was mit den Gefangenen zu geschehen hat, wird zur Gewissensfrage. Nicht nur innerhalb des Dorfes scheiden sich da die Geister, auch innerhalb des Ehepaars Fasching, in dessen Scheune die Juden eingesperrt sind.
Als Ehepaar stehen sich Ursula Strauß und Johannes Krisch gegenüber, eine Paarung, die auch schon im Oscar-nominierten "Revanche" beeindruckte. Ihre Darstellung eines durch die Kriegswirren entfremdeten Paares ist packend und überzeugend.
Komplizierte Arbeit am Drehbuch
In der Scheune beschließen die jüdischen Gefangenen unterdes, als eine groteske Form des Widerstands gegen den Wahnsinn der Welt da draußen, die Operette "Wiener Blut" zur Aufführung zu bringen. Während das Turrini-Stück ganz um diese tragikomische Probenarbeit kreist, ist sie beim Scharang-Film nur Hintergrund für das Ehedrama. Die Darstellung der Juden gerät deshalb auch vergleichsweise abziehbildhaft.
Die gemeinsame Arbeit am Drehbuch durch Peter Turrini, Silke Hassler und Elisabeth Scharang dürfte auch ein langer und reibungsvoller Prozess gewesen sein. Peter Turrini über den unterschiedlichen Ansatz Elisabeth Scharangs: "Sie hat einen ungleich realistischeren Film gemacht, als es das Metaphern-artige des Theaterstückes ist. Dadurch, dass wir das so auseinanderhalten - das eine sind wir, nämlich die Idee des Stückes, und die filmischen Bilder, das ist sie -, lässt uns das einigermaßen miteinander kooperieren."
Wer also letztes Jahr in der Josefstadt die Aufführung von "Jedem das Seine" gesehen hat, sei besonders angehalten, sich Elisabeth Scharangs Kinofilm "Vielleicht in einem anderen Leben" anzusehen. Denn wann hat man schon die Gelegenheit, ein und denselben Stoff auf zwei ganz unterschiedliche Weisen erzählt zu bekommen.
Textfassung: Red.