Staatstrauer um Umsturzopfer

Tunesien: Amnestie und Rücktritte

Mit einer dreitägigen Staatstrauer gedenkt Tunesien der zahlreichen Opfer des Volksaufstandes. Mit immer neuen Gesten wie etwa einer Generalamnestie versucht die Übergangsregierung die Tunesier zu überzeugen, dass sie mit der Vergangenheit gebrochen hat.

Morgenjournal, 21.01.2011

Dreitägige Staatstrauer in Tunesien,

Amnestie und Verbotsaufhebung

Die Übergangsregierung hat auf ihrer ersten Sitzung am Donnerstag eine Generalamnestie für politische Häftlinge beschlossen. Sie müsse aber noch vom Parlament gebilligt werden, erklärte der für zuständige Minister. Die Amnestie soll auch der bisher verbotenen Bewegung Al-Nadha den Weg auf die politische Bühne ebnen, die vorerst nicht an der Übergangsregierung beteiligt ist. Ihr im Londoner Exil lebender Chef Raschid Ghannouchi will noch diese Woche nach Tunesien zurückkehren.

EU sperrt Ben Alis Vermögen

Unterdessen will auch die EU das Vermögen des geflohenen tunesischen Ex-Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali sperren. Darauf verständigten sich nach Angaben von Diplomaten Vertreter von 27 Mitgliedstaaten am Donnerstag in Brüssel in einer Arbeitsgruppe. Die Schweiz hatte bereits zuvor den Zugriff auf Konten und Immobilien des Ben-Ali-Clans gesperrt.

Festnahmen

33 Familienangehörige Ben Alis seien bisher festgenommen worden, berichtete das tunesische Fernsehen. Ihnen werden Verbrechen gegen das Land vorgeworfen. Gegen sie soll in Kürze ein Verfahren eröffnet werden.

Weitere Rücktritte

Unterdessen trat in Tunis zwei Tage nach der Vereidigung der Übergangsregierung schon wieder ein Minister zurück. Nach Angaben des Staatsfernsehens legte der Staatsminister für lokale Verwaltung, Zouheir M'Dhaffer, sein Amt nieder. Er hatte sich zuvor als Propagandist der alten Regierung hervorgetan und galt als kompromittiert. Als Reaktion auf die anhaltende Proteste traten am Donnerstag auch die letzten Minister in der Übergangsregierung aus der früher von Ben Ali geleiteten Einheitspartei RCD aus. Bereits am Mittwoch hatten Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi und Übergangspräsident Foued Mebazaa diesen Schritt vollzogen. Im Zentrum der Hauptstadt gab es dennoch erneut Demonstrationen, bei denen die vollständige Auflösung der RCD gefordert wurde. Aus Verärgerung über den Verbleib zahlreicher Politiker aus der Ben-Ali-Ära in der Übergangsregierung hatten sich bereits vor der Vereidigung des Kabinetts vier designierte Minister zurückgezogen.

Mittagsjournal, 21.01.2011

Die neue Regierung versucht, sich vom alten Regime zu distanzieren, um weitere Proteste zu vermeiden. Eine Rückkehr zur Diktatur scheint unmöglich, berichtet aus Tunis Lucien Giordani