Experten: Eigene Finanzen nicht im Griff

Causa Grasser: Optik vernichtend

Gelinde gesagt vernichtend fällt das Urteil zweier Experten zur Causa Grasser aus. Anti-Korruptionsexperte Franz Fiedler sagt, selbst wenn man gutgläubig sei, müsse man zumindest feststellen, dass der Ex-Finanzminister keinen Überblick über seine eigene Geldgebarung hatte.

Morgenjournal, 28.01.2011

Finanzrechtsprofessor Werner Doralt und Anti-Korruptionsexperte Franz Fiedler,

Doralt: Peinlich

Die Angelegenheit sei bedenklich, auch wenn Karl-Heinz Grasser deshalb nicht vor Gericht muss und einer Strafzahlung entgangen ist, sagt der Finanzrechtsprofessor Werner Doralt - mit anderen Worten: peinlich für den früheren Finanzminister und es werfe ein bezeichnendes Licht auf das, was man in jüngster Zeit erfahren habe. Zumal durch Grassers Selbstanzeige deutlich werde: vor der Selbstanzeige sei ein strafbares Delikt vorhanden gewesen. Die Strafbarkeit sei durch die Selbstanzeige beseitigt worden.

Vielleicht habe der damalige Finanzminister wirklich jahrelang übersehen, dass er für seine Einnahmen durch Wertpapiere in Kanada in Österreich Steuer hätte zahlen müssen, sagt Doralt, aber der Finanzrechtler schließt auch ursprünglich vorsätzliche Steuerhinterziehung nicht aus: es sei weit von Österreich gewesen.

Fiedler: Kein Durchblick

Für Anti-Korruptionsexperte Franz Fiedler, den früheren Rechnungshofpräsidenten zeugt die Steuer-Selbstanzeige zumindest davon, dass ein kompletter Durchblick des Ex-Finanzministers über seine Geldgebarung nicht gegeben war.

Aufdeckung zuvorgekommen

Weil Karl-Heinz Grasser erst im Vorjahr, offenbar wenige Wochen nach seiner Einvernahme in der Buwog-Causa Selbstanzeige erstattet hat, schließt Fiedler aber eine zweite Variante nicht aus: wenn man weniger gutgläubig sei, dann könnte man mutmaßen, dass Grasser die Befürchtung hatte, es könnte nun auch diese von ihm seinerseits unterlassene Entrichtung von Abgaben aufgedeckt werden und er wollte dem schnell zuvorkommen.

Verjährung

Laut Format hat Grasser das Wertpapierdepot in Kanada von 1999 bis zumindest 2008 besessen. Für 2002 bis 2008 hat er nun 18.000 Euro Steuer nachgezahlt. Etwaige Einnahmen aus den Jahren 1999 bis 2002 sind verjährt. Finanzrechtsexperte Doralt: bei den Verkürzungen vor 2002, bei denen er sich auf Verjährung berufe, handle es sich um verkürzte Beträge. Man müsse sich das auf der Zunge zergehen lassen, ein Finanzminister berufe sich auf Verjährung, dass er steuerpflichtige Einkünfte nicht versteuert hat.

Fiedler: Froh, dass er nicht Vizekanzler wurde

Und der frühere Rechnungshofpräsident Fiedler resümiert auch als ÖVP-Mitglied und nach wie vor Wiener Bezirkspolitiker: er sei froh, dass Grasser nicht mit Unterstützung der ÖVP Vizekanzler geworden sei, das könne man jetzt auch im Nachhinein unterstreichen.

Stummvoll: Optik vernichtend

Von Karlheinz Grassers ehemaligen Regierungskollegen aus der Zeit der Schwarz-Blauen beziehungsweise Schwarz-Orangen Koalition war bisher niemand zu einer Stellungnahme zu erreichen. Auch nicht der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der zu den besonderen Förderern Grassers gezählt wurde.

Zu Wort gemeldet hat sich allerdings Günther Stummvoll von der ÖVP: er ist nicht nur langjähriger Abgeordneter der Volkspartei im Nationalrat, sondern war dort - seit der Zeit Grassers als Finanzminister - der Sprecher des Finanzausschusses. Für Stummvoll hat Grassers Verhalten in der Steuerfrage zu einer wörtlich verheerenden Optik geführt.

Morgenjournal, 28.01.2011

Der Sprecher des Finanzausschusses, Günther Stummvoll (ÖVP),