Umsturz könnte Frieden bedrohen

Besorgnis in Israel

In Israel verfolgt man die Entwicklung in Ägypten mit Besorgnis. Ägypten war 1979 das erste arabische Land, das mit Israel Frieden geschlossen hat. Hosni Mubarak war der Garant dieses Friedens. Wenn er gehen muss, ist alles wieder in Frage gestellt, denken die Israelis, auch wenn sie das offiziell nicht so sagen.

Morgenjournal, 31.01.2011

Vorsichtiger Netanjahu

Für die Israelis ist Ägypten ein Nachbar, mit dem man bittere Kriege geführt hat, mit dem man aber jetzt schon lange in Frieden lebt. Das Drama vor der eigenen Haustür könnte Auswirkungen auf Israel haben. Premier Benjamin Netanjahu hütet sich aber natürlich, offiziell Stellung zu beziehen. "Der Frieden zwischen Israel und Ägypten dauert mehr als drei Jahrzehnte, und unser Ziel ist es zu gewährleisten, dass diese Beziehungen fortgesetzt werden. Wir müssen Verantwortungsgefühl, Zurückhaltung und Besonnenheit zeigen, daher habe ich meine Ministerkollegen angewiesen, alle Erklärungen zu diesem Thema zu vermeiden."

Bürger heimgeholt

Trotz des formalen Friedens stellt Israel für viele oppositionelle Kräfte in Ägypten noch immer ein Feindbild dar. Am Samstag hat Israel als erstes Land eigene Bürger, die für gefährdet gehalten wurden, organisiert aus Ägypten ausgeflogen. In einer diskreten Blitzaktion charterte Israels Außenministerium ein Flugzeug, Ehepartner und Kinder von Botschaftsangehörigen wurden heimgeholt, zudem wurden noch rund 40 Privatpersonen mitgenommen. Die israelische Botschaft in Kairo bleibt aber geöffnet.

Gas aus Ägypten

Zugleich wird hin- und herspekuliert, was nun wohl aus den bilateralen Beziehungen wird. So werden 20 Prozent des israelischen Stroms aus ägyptischem Erdgas erzeugt, das durch eine Pipeline nach Israel strömt: "Das ist eine historische, dramatische strategische Änderung", sagt Jiftach Ron-Tal, Vorsitzender der israelischen Elektrizitätsgesellschaft. "Kurzfristig sehe ich zwar kein Problem, ich denke, es ist auch im ägyptischen Interesse, Israel mit Erdgas zu beliefern, aber wir müssen die Lage neu bewerten."

Angst vor Moslemisierung

Debattiert wird in Israel jetzt auch darüber, wieso eigentlich sogar die Geheimdienste von der Entwicklung überrascht wurden. Und bei aller Sympathie für den Wunsch nach mehr Demokratie und Wohlstand in Ägypten sieht man den Präsidenten Hosni Mubarak als einen Garanten für regionale Stabilität und scheint sich zu wünschen, dass er das doch noch irgendwie durchsteht. "Man muss noch abwarten, es ist sehr gut möglich, dass die Armee das Regime doch noch retten kann", schätzt Aharon Seevi-Farkasch, früherer Chef des militärischen Nachrichtendienstes. "Die Alternative wäre eine Islamisierung. Wenn es freie Wahlen gäbe, würden wahrscheinlich die Moslem-Brüder gewinnen."

Militärische Konsequenzen

Innerhalb der israelischen Armee wird über Maßnahmen für den Fall beraten, dass Mubarak wirklich stürzt. Wenn der Friedensvertrag mit Ägypten nicht mehr hält, heißt es, dann wäre Israels Südgrenze plötzlich wieder militärisch bedroht, und Truppen müssten großräumig umgruppiert werden.

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