Grenzüberschreitende Energieprojekte

210 Mrd. Euro für Strom- und Gasnetze

Die europäischen Strom- und Gasnetze sollen "fit" für erneuerbare Energiequellen werden. Das ist das erklärte Ziel von EU-Energiekommissar Günther Oettinger. 210 Milliarden Euro sollen bis 2020 investiert werden. Doch die Schuldenkrise erschwert die ehrgeizigen Investitionspläne. Die Staats- und Regierungschefs wollen am Freitag die Weichen stellen für eine neue europäische Energiepolitik.

Mittagsjournal, 03.02.2011

Lückenhafte Netze

Das Energienetz in Europa hat Löcher - zwischen Spanien und Frankreich, oder auch im Norden. In der Nordsee werden große Windparks errichtet. Der Strom kann derzeit aber nicht problemlos nach Köln oder Frankfurt fließen. Auch in Österreich klafft eine Lücke: zwischen Salzburg und Oberösterreich, die 380kV-Leitung. Strom aus den Pumpspeicherkraftwerken Kaprun kann derzeit nicht in großem Stil zu Kunden wie der Voestalpine nach Linz gebracht werden, klagt EU-Energiekommissar Günter Oettinger. Es fehlten Brücken zu Europas Energieinseln: "Sie können derzeit Strom nicht von Spanien nach Frankreich oder nicht von Deutschland nach Frankreich oder umgekehrt transportieren. Man kann Gasleitungen, die von Russland kommen und in Österreich enden, nicht für einen Umkehrfluss, also in die andere Richtung nutzen. Es fehlt der Link nach Norden und Süden. Es fehlt an der Infrastruktur für Gas und Strom noch in jedem Land und zwischen den Ländern sehr viel."

Eine EU-Milliarde pro Jahr

Die Hälfte der notwendigen Investitionen könne die Branche selber aufbringen, schätzt Oettinger. Aber es gebe Projekte, die sich nicht rechnen. Den Preis für diese Investitionen müssten die Kunden bezahlen - mit höheren Strompreisen. Deshalb will die EU ab 2014 jedes Jahr bis zu einer Milliarde Euro bereit stellen: "Da brauchen wir eine öffentliche Kofinanzierung aus dem europäischen Haushalt. Das haben wir jetzt in Zeiten der Krise mit dem Konjunkturprogramm möglich gemacht. Und das wollen wir fortsetzen. Unsere Partner sind die öffentlichen Banken, die Europäische Investitionsbank, die das ausdrücklich als eine Aufgabe übernehmen will, und vielleicht auch die nationalen Strukturbanken."

Grenzüberscheitende Energieprojekte

Der Infrastrukturausbau ist nur eine Seite der Medaille. Europa hat drei Klimaziele beschlossen, die die Staats- und Regierungschefs "als Priorität für Europa" bekräftigen werden. 20 Prozent weniger Treibhausgase, 20 Prozent weniger Energieverbrauch und 20 Prozent mehr Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse. Diese Energie soll dort produziert werden, wo sie am günstigsten ist, sagt Öttinger: "Die Mitgliedsstaaten haben für die Förderung der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren viel getan. Aber jetzt kommen wir zunehmend zu Projekten, die grenzüberschreitend sind. Zum Beispiel Solarenergie aus Italien oder aus Tunesien, die in großen Pumpspeicherwerken in Kaprun gelagert und dann meinetwegen in Linz oder in München gebraucht wird. Ich gehe davon aus, dass wir 2020 bei der Stromproduktion 35 Prozent in Europa aus erneuerbarer Energie haben. Und der nächste Schritt hin zu 50 Prozent geht mit bezahlbaren Preisen nur europäisch. Das heißt das Thema der Ernährung, der erneuerbaren Energie ist ein Thema der nächsten fünf bis zehn Jahre."

Standortfaktor Engeriepreis

Die Frage der Energiekosten wird zum Dreh- und Angelpunkt für Europas Industriepolitik. Ein Standort wurde bisher vor allem nach den Arbeitskosten beurteilt, heute sind es die Energiekosten, sagt Oettinger. Und die Weichen für die Wettbewerbsfähigkeit Europas sollen morgen gestellt werden.