Italien beklagt mangelnde EU-Hilfe
Massenexodus aus Tunesien hält an
Mehr als 5.000 Bootsflüchtlinge sind seit Donnerstag auf der süditalienischen Insel Lampedusa angekommen. Ein Ende des Massenexodus aus Tunesien scheint nicht in Sicht. Italiens Regierung fühlt sich erneut von der EU allein gelassen.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 14.02.2011
Stündlich neue Flüchtlinge
Faktisch im Stundentakt sind in den vergangenen Tagen Boote in Lampedusa angekommen. Größere und kleinere - oft nur notdürftig zusammengeflickte Schaluppen. Allein in der Nacht auf Sonntag waren es mehr als 1.100 Menschen, die die Fahrt von Tunesien bis zur süditalienischen Insel geschafft haben: "Wenn sich rund fünfzig Personen zusammentun, dann kaufen sie gemeinsam ein Boot. Und suchen jemand, der es fahren kann", sagt dieser Mann, der so wie viele hier Italien aus dem Fernsehen kennt, ein wenig Italienisch kann und vom gelobten Land träumt. "Italien schön" - sagt dieser ältere Mann. "Wir haben keine Zukunft in Tunesien".
Flucht vor Armut und Gewalt
Die Männer hier in Lampedusa erzählen von Schießereien auf den Straßen, von Heckenschützen der Ben-Ali-Anhänger, Vergeltungsaktionen und Vergewaltigungen. Aber vor allem sprechen sie von der Armut: "Ich bin hier im meinen Leuten in Tunesien zu helfen. Es gibt keine Arbeit, wenn ich hier etwas schaffe, kann ich dort etwas aufbauen".
Keine Arbeit
Die Revolution in Tunesien hat die Wirtschaft lahm gelegt. Selbst der illegale Handel mit chinesischen Produkten, der vor allem zwischen Libyen und Tunesien floriert, ist versiegt: "Vor zwei drei Jahren sind die Tunesier nicht abgehauen, aber jetzt haben wir so viele Probleme". "Arbeit, ich brauche Arbeit - ruft ein anderer Mann". Und andere fügen hinzu: "Freiheit, wir suchen Freiheit".
Lampedusa wieder offen
Doch nach dem ersten Aufatmen, sicheren Hafen erreicht zu haben, folgt für viele die Ernüchterung und Angst. Als gestern nach längerer inneritalienischer Polemik das geschlossene Auffanglager Lampedusas wieder geöffnet wurde, da gerieten einige in Panik. Sie dachten sie kämen ins Gefängnis und weigerten sich erst hineinzugehen. Jetzt sind dort 2.150 Tunesier untergebracht. Andere wurden über Luftbrücken bereits in andere Regionen ausgeflogen.
Italien drängt auf Lösung
Italiens Innenminister Roberto Maroni hat nun der Regierung in Tunis vorgeschlagen, italienische Soldaten zu schicken: "Was uns Sorgen bereitet, sind die zigtausenden Menschen, die noch an den Küsten Tunesiens warten. Die tunesische Regierung allein schafft es nicht, das Problem zu lösen".
Ein Vorschlag, den Tunis, als inakzeptabel zurückgewiesen hat. Italiens Außenminister Franco Frattini und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollen daher heute das Thema bei ihrem Besuch in Tunesien ansprechen.