Brüsseler Experte für rasche Hilfe
EU: Marshallplan für Nordafrika?
Bis zu zwei Millionen Afrikaner versuchen nach Expertenschätzungen etwa über Libyen in die EU, nach Italien oder Malta, einzureisen. Das große Wohlstandsgefälle löst eine Wanderungswelle aus. Europa muss den Wiederaufbau in Nordafrika unterstützen, sagt der Brüsseler Experte Hans Martens. Er hält einen Marshallplan für Nordafrika für notwendig.
27. April 2017, 15:40
Morgenjournal, 23.02.2011
"Strategischer Eigennutz"
An der Südgrenze Europas bleibt kein Stein auf dem anderen. Der Umbruch in Nordafrika muss Europa beschäftigen, erklärt Hans Martens. Der Chef der Brüsseler Denkfabrik EPC fordert seit Jahren einen Marshallplan für die Region.
Das große Wohlstandsgefälle an der Südgrenze und die demographische Entwicklung, in Nordafrika eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, in Europa werden schon bald wieder Fachkräfte fehlen, sollte den Druck erhöhen, sagt Martens: "Schon aus strategischem Eigennutz sollte Europa beim Wiederaufbau helfen."
Wirtschaftshilfe für Nordafrika
EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton weiß offenbar um die Wirkung eines großen, glaubwürdigen Angebots. Sie hat erreicht, dass das EU-Parlament die Kreditgarantien der EU-Hausbank EIB um eine Milliarde erhöhen wird. Bankchef Philip Maystadt könnte also sechs Milliarden an Krediten vergeben: "Wir sind bereit mehr zu tun, um den Demokratisierungsprozess mit Wirtschaftshilfe zu unterstützen."
Zustimmung der Staaten fehlt
Fehlt noch die Zustimmung der Staaten. Berlin und London tun sich schwer mit der Idee eines Marshallplans. Während Frankreich, Spanien, Zypern, Griechenland, Malta und Slowenien vehement mehr Geld fordern.
"Viele Versprechungen"
Ein solcher Marshallplan gehe zu Lasten der anderen Außengrenzen. Doch hier müsse man Prioritäten setzen, sagt Martens: "Natürlich kann man nicht sagen vergesst die Ukraine, vergesst den Balkan. Man darf aber auch nicht vergessen, dass in die Mittelmeerregion bisher wenig Geld geflossen ist. Es gab viele Versprechungen aber kein Geld. Jetzt muss man die Interessen bündeln und sich der Frage stellen: Was soll an unserer Südgrenze entstehen? Ein Staat wie der Iran oder doch wie die Türkei?"
"Zweieinhalb Milliarden"
Die EU stellt derzeit aus der Nachbarschaftshilfe bis 2013 für Ägypten 450 Millionen und für Tunesien 258 Millionen zur Verfügung. Ashtons Schätzung: Es würden bis zu zweieinhalb Milliarden für die Region gebraucht.