Nach Katastrophe in Japan
Italien stoppt Atom-Wiedereinstieg
Italien will nach dem Unglück im japanischen Atomkraftwerk Fukushima seine Pläne zum Wiedereinstieg in die Kernenergie einfrieren. Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird die Standortsuche für den Bau neuer Atomkraftwerke für zwölf Monate stoppen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.03.2011
Aus nach Tschernobyl
1987 hatte Italien unter dem Eindruck von Tschernobyl Atomkraftwerke aus seinem Land verbannt – sprich: Bestehende wurden geschlossen und keine weiteren mehr gebaut. Damit war Italien die einzige der acht führenden Industrienationen ohne Atomstrom. Das wollte die Regierung Berlusconi ändern und hielt bis vor wenigen Tagen an einem Wiedereinstieg in die Atomenergie fest. Jetzt werden diese Pläne plötzlich vorübergehend gestoppt. Ein entsprechendes Moratorium wird heute im Parlament verabschiedet.
Fukushima bringt Wende
Zwischen heute und morgen soll die radioaktive Wolke aus Japan Italien streifen. Auch wenn Experten jedes Risiko für die Bevölkerung verneinen, die Einstellung zur Atomenergie hat sich durch die Katastrophe in Fukushima gründlich geändert. 76 Prozent der Italiener und Italienerinnen sprechen sich jetzt - laut jüngsten Umfragen - dezidiert gegen AKWs im eigenen Land aus. Und damit auch gegen die Pläne der Regierung, mindestens vier Atomkraftwerke zu errichten. Vom Japaneffekt spricht man daher in Italien, der nun auch erste Konsequenzen zeigt.
Mehr erneuerbare Energien
Italien will seine Pläne für zwölf Monate einfrieren - bestätigte Paolo Romani, Minister für die wirtschaftliche Entwicklung. Das Kabinett soll noch heute ein entsprechendes Moratorium beschließen: Wir arbeiten jetzt an zwei Fronten. Wir legen einerseits in Sachen Atomenergie eine Reflexionspause ein. Auf der anderen Seite arbeiten wir an Förderungen für erneuerbare Energien. Ich denke, das entspricht dem, was wir der EU mitgeteilt haben. Nun formalisieren wir das.
Referendum den Boden entzogen
Heftige Kritik kommt nun von der Oppositionspartei IDV, die im vergangenen Jahr 800.000 Unterschriften für ein Referendum gesammelt hat. Mit dieser Abstimmung, die Mitte Juni stattfinden soll, sind die Italiener aufgerufen, sich klar für oder gegen Atomkraft zu entscheiden. IDV-Chef Antonio di Pietro spricht jetzt von einer Täuschungshandlung der Regierung, die mittels Moratorium das Referendum abwürgen möchte. Und sein Parteikollege Massimo Donadi warnt: In meinen Augen ist das ein politischer Betrug zu Lasten der Italiener. Denn dabei geht es nur darum, dass man sich über den Tag des Referendums gegen Atomenergie rettet. Wir rufen daher die Italiener auf. Lasst euch nicht auf den Arm nehmen. Und geht in großer Zahl zur Abstimmung. Sagt deutlich: Ja oder nein zur Atomkraft.
Auch Italiens Grüne sprechen von einem Sabotageakt gegen das Referendum. Die Regierung fürchtet eine Niederlage, sagen sie. Während die größte Oppositionspartei, die PD, statt eines Moratoriums lieber einen Nationalen Plan zur Förderung erneuerbarer Energiequellen möchte. Für die Vorgangsweise der Regierung spricht sich hingegen Berlusconis-Widersacher Gianfranco Fini aus: Die Regierung hat mit dem Moratorium eine weise und angebrachte Entscheidung getroffen. Jetzt muss man einmal überlegen.
Trotzdem Standorte gesucht
Italiens Atomgegner haben aber in jedem Fall für kommenden Samstag eine Kundgebung angesagt. Denn trotz Einfrierens der Pläne werden im Parlament heute nämlich auch die möglichen AKW-Standorte bewertet. Und wer weiß - sagen sie - was in einem Jahr ist.