Neues Sparpaket stürzt Premier Socrates

Regierungskrise in Portugal

Portugal ist von der Finanz- in eine Regierungskrise gestürzt. Die Opposition verweigerte der sozialistischen Minderheitsregierung die Zustimmung zu einem neuen Sparpaket, das Einschnitte im Gesundheitswesen und bei öffentlichen Investitionen vorsah. Ziel war es, das Defizit heuer auf 4,9 Prozent zu drücken. Regierungschef José Socrates ist zurückgetreten.

Morgenjournal, 24.03.2011

Portugals Regierung gestürzt,

Proteste immer lauter

Portugals Ministerpräsident Socrates regierte seit mehreren Monaten mit dem Rücken zur Wand. Die Finanzmärkte setzten das hoch verschuldete Land unter Druck, der Risikoaufschlag für Staatsanleihen wurde immer teurer. Mit seinen mehrmals nachjustierten Sparpaketen konnte sich der 53-Jährige Regierungschef nur kurzfristig freispielen, die von Steuererhöhungen und Kürzungen bei Gehaltern und Sozialleistungen gestresste Bevölkerung spielte schon lange nicht mehr mit. Am Tag der entscheidenden Abstimmung streikten die Lokführer, auch für die kommenden Tage waren weitere Proteste der linken Gewerkschaften angesagt.

Opposition springt ab

Vor zehn Tage hatten Studenten und arbeitslose Akademiker per Facebook zu einer Kundgebung aufgerufen, die in Lissabon auf erstaunliche Resonanz stieß, nicht nur bei jungen Menschen, die als Praktikanten nur 500 Euro-Jobs finden.
Drei Mal konnte der Regierungschef, der vor eineinhalb Jahren für eine zweite Amtszeit gewählt wurde, die Unterstützung der großen Opposition für seinen Sparkurs gewinnen. Widerwillig stimmte die konservative PSD für Maßnahmen, die den harmlosen Namen Stabilitäts- und Wachstumspakt erhielten.

Mitte März senkte eine Ratingagentur die Bonität Portugals gleich um zwei Stufen herab. Als die sich Jose Socrates daraufhin zuerst in Brüssel das OK für sein viertes und zugleich härtestes Sparpaket holte und danach im Parlament zur Abstimmung präsentieren wollte, sagte die Opposition Nein.

Neuwahlen unausweichlich

Die Abdankung der Regierung und Neuwahlen sind unausweichliche Konsequenzen einer politischen Krise, die das Dilemma des Landes nur vertieft. Jose Socrates mit Tränen in den Augen: „Diese Krise kommt im schlimmsten Augenblick für Portugal. Aber die Portugiesen werden darauf Antwort wissen. Wie immer vertraue ich auf die Urteilskraft der Portugiesen. Jetzt und wie immer vertraue ich auf Portugal.“

Möglicher Rettungsschirm

Als interimistischer Regierungschef wird Socrates am EU-Gipfel teilnehmen, wo auch die Finanzkrise seines Landes zur Debatte steht. In dieser Funktion wird er auch im April versuchen müssen, Abnehmer für 4,2 Mrd. Euro Staatanleihen zu finden, die das Land refinanzieren muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass Portugal den Euro–Rettungsschirm in Anspruch nehmen muss, ist weiter gestiegen.

Wirtschaftsjournalist: Lage dramatisch

Experten rechnen damit, dass Portugal noch vor den wahrscheinlichen Neuwahlen im Mai Hilfe aus dem Rettungsschirm abrufen wird. Der portugiesische Wirtschaftsjournalist Miguel Szymanski beschreibt die Lage als dramatisch.

Die Schulden Portugals wachsen seit Jahren, verantwortlich dafür sei die Politik, die ebenso wie die privaten Haushalte jahrelang auf Pump gelebt hat, erklärt Szymanski, seine Familie stammt aus Tschechien, er selbst wurde in Portugal geboren und lebt auch dort. Szymanski rechnet damit, dass die Regierung in Lissabon noch vor den Wahlen im Mai um EU-Hilfe ansuchen wird.

Mittagsjournal, 23.03.2011

Der portugiesische Wirtschaftsjournalist Miguel Szymanski sieht die Lage Portugals düster,

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