Ausstellung mit dem Blöden Orchester
Musik mit Haushaltsgeräten
Im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg ist derzeit das Blöde Orchester zu hören. Dabei ist dieses gar nicht blöd, sondern ganz schön ausgeklügelt; es musizieren nicht Streicher und Posaunen, sondern Wäschetrommeln und Tranchiermesser, und Rasierer geben den Rhythmus vor.
8. April 2017, 21:58
Doch wie funktioniert das Zusammenspiel der knapp 200 Haushaltsgeräte? Wie lassen sich Mixer und Rasierer gezielt als Instrumente einsetzen? "Man kann mit dem Orchester sehr viele Klänge und Klangfarben und Klangteppiche machen."
Der Dirigent und Komponist Michael Petermann war immer schon an der technischen Seite von Musik interessiert. Als er für das Blöde Orchester komponierte, ging er auf die Eigenschaften der einzelnen Geräte ein – und die sind sehr unterschiedlich: Rasierer treffen zwar das G ganz exakt, können aber sonst nicht viel und geben daher den Beat an.
Der Staubsauger singt
Ganz anders die Staubsauger, quasi die Stradivaris unter den Haushaltsgeräten. Ihnen brachte er das Singen bei, sagt Petermann und erklärt, wie: "Sie können sich das vorstellen wie mit Dimmer, so können Sie Staubsauger schnell oder langsam laufen lassen." Bis zu einer Oktave holt er aus dem Gerät heraus. Doch um das herauszufinden, musste der Musiker viel ausprobieren.
Für seine Brotschneidemaschinen, Mixer und Kaffeemaschinen komponierte er nicht im stillen Kämmerlein, sondern hinterm Mischpult.
Geräte mit Gesicht und Charakter
Die Idee zum diesem außergewöhnlichen Orchester hatte Petermann bei einem Bier vor acht Jahren, doch es blieb nicht beim Gedankenexperiment: Nach einer gelungenen, vierjährigen Testphase machte er sich auf die Suche nach potenziellen Ensemblemitgliedern. Er entdeckte sie auf Flohmärkten und E-Bay, doch nicht bei allen reichte es für die große Bühne.
"Die Geräte hatten alle ein Gesicht und einen Charakter", erinnert sich Michael Petermann. "Es musste optisch charaktervoll aussehen und klanglich natürlich Charakter haben." Die Geräte werden wie Instrumentengruppen angeordnet, damit sie den Dirigenten sehen können. "Die Bühne als Amphitheater mit den Stufen ist ein Zitat an die Antike."
"Auch Geräusche sind Musik"
Die meisten Geräte entsprechen dem Industriedesign der 1950er Jahre, aber es sind auch echte Raritäten dabei, wie ein Ventilator aus dem Jahr 1912. Da kommt es vor, dass sich bei den Museumsbesuchern eine gewisse Nostalgie einschleicht. Und auch der Kurator selbst trauert der Schönheit der Haushaltsgeräte von früher nach: "Die ganze technische Welt hat an optischen Reizen eingebüßt", findet er. "Es sei denn, Sie haben entdeckt, dass bestimmte Geräte Designergeräte sind, die manchmal gelungen sind oder auch nicht."
Doch steckt hinter dem Blöden Orchester auch eine Philosophie? Ja, sagt Petermann. Für ihn ist sein Ausstellungsprojekt weit mehr als ein Gag: "Auch Geräusche sind Musik. Wie auch die Narren in der Literatur manchmal interessante Dinge sagen, kann man sagen, dass ein blödes Ambiente manchmal auch für neue Erkenntnisse sorgen kann und so ist die vermeintliche Eingeschränktheit wegweisend für neue Einsichten. Ob Geräusche Musik sein können, brauche ich nicht mehr zu beantworten."
Ob Erkenntnisgewinn oder ein unterhaltsamer Nachmittag, einen Konzertbesuch ist das Blöde Orchester jedenfalls wert. Bis Ende April hat man im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg die Gelegenheit, dem Sound von Mixern und Rasierern zu lauschen.