Berlusconi schaltet sich ein
Flüchtlingsnotstand in Lampedusa
Die Lage in Lampedusa ist kritischer denn je. Die Nerven aller liegen blank. Über 6.000 Bootsflüchtlinge sind derzeit auf der Insel. Jetzt sollen sie in andere Regionen Italiens gebracht werden. Ministerpräsident Berlusconi will sich nun persönlich um die Krise kümmern. Er wird am Mittwoch auf der Insel erwartet.
27. April 2017, 15:40
Mittagsjournal, 30.03.2011
Bevölkerung schäumt
Lampedusas Bevölkerung hat genug. Keine Ankündigungspolitik mehr, sagen die Menschen. Wir wollen nur mehr Fakten. Nach der vorübergehenden Sperre des Hafens, haben die Inselbewohner hier gestern das Rathaus besetzt. Die Lage sei gesundheitsgefährdend - wettert der zuständige Gemeinderat Massimo Russo. Die hygienischen Zustände seien katastrophal: "Die Fakten sprechen für sich. Wenn die Insel nicht geräumt wird, dann wird sie wie eine Bombe explodieren".
Aufteilung auf ganz Italien
Die Situation ist für alle - Lampedusaner und Bootsflüchtlinge - untragbar. Frauen und Kinder sind besonders gefährdet. So wie die Eritreerinnen und Somalierinnen, die die vergangenen Monate nach ihrem Marsch durch die Wüste in Gadaffis Auffanglagern verbracht hatten. Durch den Krieg wurden die Lager geöffnet. Die Insassen sind geflohen. Nun warten alle, dass sie heute aufs Festland verlegt werden. Raffaelle Fitto, Minister für Regionale Angelegenheiten bestätigt: "Der Notfallplan betrifft alle Regionen. Niemand kann sich dem entziehen".
Sechs Schiffe sollen die derzeit insgesamt 6.200 Migranten von Lampedusa in insgesamt 13 Identifikationszentren bringen. Raffaele Lombardo, der Gouverneur von Sizilien, ist hingegen skeptisch: "Ich glaube nicht, dass die Maßnahmen nach unseren Vorstellungen ausfallen. Wir wollen endlich Beweise, dass nicht nur Bergamo zu Italien gehört, sondern auch Sizilien. Oder sie beschließen, dass Italien nicht mehr existiert".
Nerven liegen blank
Sie - damit meint Lombardi die Regierung - die in der Frage sich gespalten ist. Während Innenminister und Lega-Politiker Roberto Maroni nach wie vor für eine zwangsweise Rückführung ist, spricht Silvio Berlusconi, der heute die Insel besucht, von armen Teufeln, denen man helfen muss.
Nichtsdestotrotz gehen die Emotionen in Süditalien hoch. Auch rund um Trapani. Die Menschen wehren sich gegen die Pläne, eine Zeltstadt für Bootsflüchtlinge zu errichten. Und auch hier kocht der Zorn gegen den italienischen Norden hoch: "Wir hätten die Pflicht, sie aufzunehmen. Aber warum nimmt Bergamo sie nicht auf? Warum?"
Tourismus am Boden
Weniger Kilometer weiter, protestieren andere. Ihr Anliegen ist die Wiedereröffnung des zivilen Flughafens. Dieser wurde wegen der Lufteinsätze gegen Libyen gesperrt. Jetzt fühlen die Menschen hier sich doppelt in die Zange genommen, beklagt dieser Hotelier, der um die Saison fürchtet: "Viele Touristen haben bereits abgesagt. Wir sind mehr als zornig". Trapani ist bereits nach einer Woche schwer angeschlagen.
Eigentliches Ziel: Frankreich
Und die Bootsflüchtlinge. Die meisten wollen einfach nur weiterreisen: "Ich will nach Belgien. Dort ist meine Familie". "Nach Frankreich - nach Frankreich" - sagt hingegen ein Großteil der Tunesier. Und damit kündigt sich das nächste Problem an. Denn schon sind mehr als tausend Migranten im Norden angekommen. Und versuchen dort über die französische Grenze zu kommen.