Neue Wege gesucht

Wohnbau in Bahrein

In dem kleinen Inselreich Bahrein, dessen Grundfläche nicht größer ist als etwa das Hamburger Stadtgebiet, hat sich - wie auch in Dubai - die internationale Immobilienkrise bemerkbar gemacht. Es kam zum Baustopp der drei Twisted Towers oder auch der elf Marina-West-Hochhäuser. Viele Investoren haben ihr Geld verloren.

Kulturjournal, 30.03.2011

Indirekt hatte die Immobilienkrise damit auch Auswirkungen auf die Demonstrationen, die drei Wochen lang das Land erschütterten, bis Mitte März Truppen aus Saudi Arabien und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einmarschierten und der Ausnahmezustand verhängt wurde. Denn eine der Forderungen der Demonstranten war immer "mehr Wohnraum", wie Noura Al Sayeh erklärt, eine etwa 25-jährige Architektin aus Bahrain, die im Königreich Bahrein im Kulturministerium für architektonische Belange und Stadtentwicklung zuständig ist. Bei der letzten Architekturbiennale in Venedig wurde sie als Kuratorin des Bahrain-Beitrages mit dem Goldenen Löwen für den besten Pavillon ausgezeichnet.

Der Kreisverkehr am Perlenplatz

Fernsehbilder zeigen, wie ein Symbol in sich zusammenstürzt: das Monument vom Perlenplatz in Bahrains Hauptstadt Manama, eine Perle, hoch in der Luft, gestützt von sechs schlank geschwungenen Betonpfeilern, wird von Baggern zerstört. Diese Perle zierte den Platz, auf dem sich in den letzten Wochen die Demonstranten versammelten und der von der Regierung geräumt wurde. Es gab mehrere Todesopfer.

Es war eigentlich nicht mehr als nur ein - für europäische Verhältnisse riesiger - Kreisverkehr, umgeben von mehrspurigen Fahrbahnen und wurde doch zum Treffpunkt der Demonstranten. Nun baut die Regierung den Kreisverkehr um zu einer Kreuzung mit Ampel, erzählt Noura Al Sayeh.

Seit der Verhängung des Ausnahmezustands ist es ruhig in Bahrain, es gibt seit einer Woche keine großen Demonstrationen mehr, die Polizeipräsenz ist stark, das Militär steht an den strategischen Punkten.

Demonstrationen gegen Diskriminierung

Für Noura Al Sayeh waren die Demonstrationen ein notwendiger Schritt, die Reformen zu beschleunigen, die in Bahrein längst in die Wege geleitet waren. Im Unterschied zu den absolut regierten Nachbarstaaten am Golf, wurde Bahrein von westlichen Regierungen immer für seine Fortschrittlichkeit gepriesen. Es ist eines der wenigen arabischen Ländern, das seinen Arbeitslosen Unterstützung zahlt und Ausländer wie Syrer oder Pakistani werden relativ leicht eingebürgert. Auch hat König Hamad vor zehn Jahren nach langen Auseinandersetzungen zwischen sunnitischem Regierung und schiitischer Minderheit einen nationalen Aktionsplan vorgelegt, der in einer Volksabstimmung von 98 Prozent angenommen wurde.

Trotzdem ging es bei den Demonstrationen, an denen vor allem Schiiten teilnahmen, um die Diskriminierung der Schiiten, obwohl die schiitische Wifak-Partei mit 18 von 40 Sitzen die mit Abstand größte Partei im Unterhaus von Bahrein ist. Noura Al Sayeh bedauert die Radikalisierung durch die Demonstrationen, sie befürchtet, dass die religiöse Radikalisierung das Zusammenleben der Sunniten und Schiiten beeinträchtigen könnte. Für sie war Bahrein immer multiethnisch.

Mehr Wohnraum gefordert

Eine der wichtigen Forderungen der Schiiten war der nach mehr Wohnraum. Tatsächlich wurde durch die Finanzkrise ein riesiges Wohnbauprojekt gestoppt. Nun müsse man neue Lösungen suchen, vor allem weil in dem Inselstaat Bahrein Grund und Boden knapp ist, man müsse neues Land im Meer aufschütten. Das sei nur dort sinnvoll, wo es hohe Sandbänke gebe. Und ökologisch sei das ohnehin problematisch, sagt Noura Al Sayeh.

Als Architektin in Bahrein wird sie damit die nächsten Jahre beschäftigt sein. Ein wichtiger Punkt wird auch die Schaffung öffentlicher Plätze sein, um die Ausbildung der Zivilgesellschaft zu fördern. Denn das Beispiel Perlenplatz, wo ein Kreisverkehr zum gesellschaftlichen Zentrum wurde, zeigt, dass es daran einen absoluten Mangel gibt.

Traditonellerweise ist der öffentliche Raum in der islamischen Stadt mit extrem hohen Außentemperaturen einfach die enge Gasse. In den modernisierten Städten sind die Souks als Treffpunkt und Kommunikationsort von klimatisierten Shoppingmalls ersetzt worden. Noura El Sayeh sagt, nicht nur die neu zu schaffenden Plätze, auch intellektuelle Zentren wie Museen seien eine wichtige Voraussetzung für die Heranbildung einer Demokratie. Während der Demonstrationen hatte jemand an die Tür der Museen geschrieben: Geben Sie ihre religiöse Überzeugung am Eingang ab.