Raiffeisen-International-Chef über den Westbalkan

"Mehr als zehn Jahre bis zum EU-Beitritt"

Südosteuropa wird beim Wirtschaftswachstum auch heuer deutlich hinter Zentral- und Osteuropa zurückbleiben, sagt Herbert Stepic von der Raiffeisen-International Bank-Holding. Die EU-Integration des Westbalkans werde noch mehr als zehn Jahre dauern. Viele Hausaufgaben seien noch zu machen und in der EU wachse der Widerstand gegen neue Mitglieder.

8.4.2011

Niedrige Löhne, hohe Preise

Zehn Jahre ist es her, dass Raiffeisen als erste westliche Bank in Serbien nach dem Sturz von Slobodan Milosevic die erste Filiale eröffnet hat. Nunmehr ist Raiffeisen mit einem Marktanteil von etwa neun Prozent die drittgrößte Bank des Landes und die größte österreichische Bank in Serbien. Dank einer restriktiven Geschäftspolitik habe Raiffeisen die Krise seit dem Jahr 2008 weniger gespürt als andere Banken.

Gespürt habe man die sinkende Finanzkraft der Serben aber schon, erläutert Herbert Stepic: "Das war tatsächlich ein großes Problem, einfach deswegen, weil das Durchschnittseinkommen der serbischen Bevölkerung deutlich hinter dem des restlichen Zentral- und Osteuropa nachhinkt. Die Serben benötigen in etwa 80 Prozent ihres durchschnittlichen monatlichen Einkommens zur Deckung des persönlichen Bedarfes, und die privaten Kreditnehmer konnten von einem Tag auf den anderen Kredite nicht rückzahlen oder nur verzögert rückzahlen. Da waren wir bemüht und haben quasi eine Streckung der Kreditlaufzeiten durchgeführt."

Jeder Fünfte arbeitslos

Die Serben leiden nicht nur unter niedrigen Realeinkommen, sondern auch unter einer Teuerungswelle. So wurde jüngst Strom um mehr als zehn Prozent teurer. Auch ausländische Investoren sind nach wie vor zurückhaltend.

Als größte Herausforderungen für Serbien bezeichnet Stepic folgende Probleme: "Ich glaube, es sind die Kernthemen wie Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die mit 20 Prozent eindeutig zu hoch ist. Da gibt es ein hehres Ziel von in etwa sechs Prozent für das heurige Jahr und wir sind derzeit bei 12,5 Prozent. Da gibt es enorme Arbeit zu leisten und das ist letztlich wieder der Wiederbeginn, der mit dem Wachstum kommen muss, nämlich vor allem Investoren ins Land zu bekommen. Und hier hat es ja einen deutlichen Unterbruch gegeben, den man sofort in der Wirtschaft gemerkt hat."

Schwache Industrialisierung

Dieser Mangel an ausländischen Investoren wirkt umso schwerer, weil die Region kaum selbsttragende Wachstumsmotoren aufweist. Herbert Stepic: "Die Region Südosteuropas wird auch heuer im Vergleich zu Zentraleuropa und zu den GUS-Ländern ein deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum aufweisen. Der Grund dafür ist primär der, dass die Balkan-Länder sehr schwach industrialisiert sind. Serbien ist in Relation dazu noch das am stärksten industrialisierte Land. Daher ist meine Vermutung und auch Hoffnung, dass - wenn es wieder gelingt durch Attraktivmachen des Landes für die ausländischen Investoren - dass wir dann relativ rasch wieder ein durch das Industriewachstum getriebene Aufschwung erleben."

Zwar wächst die Industrie in Serbien wieder stärker, doch die Bevölkerung spürt das noch nicht im Geldbörsel und daher ist die Unzufriedenheit groß. Stepic sieht auch nur wenig Chance für alle Balkan-Länder binnen zehn Jahren EU-Mitglied werden zu können.