Bondy soll Olivier Py folgen

Streit um Pariser Odéon-Theater

Zur Überraschung aller wurde der Direktor des bekannten Odéon-Theaters, Regisseur und Multitalent Olivier Py, dessen Vertrag im März 2012 ausläuft, nicht verlängert. Frankreichs Kunst- und Theaterwelt läuft seit Tagen Sturm gegen diese Entscheidung von Kulturminister Frédéric Mitterrand, der als Nachfolger Luc Bondy vorgeschlagen hat.

Diese Ernennung muss formal von Staatspräsident Sarkozy noch bestätigt werden.

Mittagsjournal, 15.04.2011

Weltweit anerkannt

Dass ein Direktor eines französischen Nationaltheaters, zumal des weltweit anerkannten Odéons, nach einer ersten Amtszeit ohne erkennbaren Grund nicht verlängert wird, ist in den letzten Jahrzehnten schlicht nie vorgekommen. Dass es aber auch noch den 43-jährigen Olivier Py trifft, dessen fulminante Arbeit der letzten Jahre am Théâtre de l'Europe (Theater Europas), wie das Odéon auch heißt, von Presse und Publikum in höchsten Tönen gelobt worden war, das hat in Frankreichs Kulturwelt Ratlosigkeit aber auch Empörung ausgelöst.

Der Betroffene, Olivier Py, sagte zunächst nur: "Ich war verdutzt und sehe nicht, was man mir vorwirft. Ich denke man wirft mir gar nichts vor, die Order kommt von anderswo her, das Ganze ist mir unverständlich."

Bemerkenswerte Bilanz

Olivier Py hat das Odéon zu einem offenen Ort gemacht, mit jährlich 150.000 Besuchern, zu 90 Prozent ausgelastet, hat das Publikum deutlich verjüngt, Theaterarbeit mit Schulen gemacht, jungen Truppen Möglichkeiten geboten, sich zu bewähren, Philosophen wie Steiner, Agamben oder Sloterdijk zu Kolloquien geholt. Auch der Kulturminister konnte nicht anders, als zugeben: "Ich erkenne die bemerkenswerte Bilanz von Olivier Py absolut an. Wenn man mit 40 Jahren das Odéon übernimmt und ein derartiges Instrument in der Hand hat, dann muss man einfach gut sein und er war gut."

Warum dann aber die Entscheidung, ihn nicht zu verlängern? In einem Zeitungsinterview äußerte der Minister dann, er habe mit Py "keine gemeinsame Vision finden können hinsichtlich des europäischen Auftrags des Odéon-Theaters, welcher deutlicher zum Ausdruck kommen müsse". Doch auch das versteht niemand: Corsetti, Warlikowki, Ostermeier, Marthaler und Langhoff haben hier in den letzten Jahren als Regisseure gewirkt und an Stücken europäischer Autoren im Repertoire mangelte es wirklich nicht.

Minister verteidigt Entscheidung für Bondy

Der Minister, reichlich schlecht gelaunt, verteidigte im französischen Rundfunk seine Entscheidung für Luc Bondy: "Bondy ist ein Regisseur, der seit Jahren die Idee selbst des europäischen Theaters in sich trägt , ihm vertrauen wir das Odéon-Theater an. Er hat einen internationalen Ruf und ist von allen anerkannt und hat einen Kenntnis von der Idee eines europäischen Theaters, das dem Konzept des Odéons entspricht."

Luc Bondy hat sich bislang nur telefonisch gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP geäußert und gesagt, er sei sehr stolz und erfreut, müsse aber noch Diskussionen führen, hinsichtlich des Budgets und seiner genauen Funktionen, ansonsten habe er nichts gegen wen auch immer und werde, was den Streit angeht, keine Erklärungen abgeben.

Boulez, Chéreau, Huppert protestieren

Derweil wurden in Paris Kommunikees und Petitionen zur Unterstützung von Olivier Py veröffentlicht, die "eine brutale und undemokratische Entscheidung" anprangern und von Persönlichkeiten wie Pierre Boulez, Patrice Chéreau und Isabelle Huppert unterzeichnet wurden.

Wobei die Aufregung sich ab dem heutigen Tag auch wieder zumindest ein wenig legen dürfte: Olivier Py wurde ab Herbst 2013 die Leitung der Theaterfestspiele von Avignon angeboten - und er hat akzeptiert.