Frauen starten mit "Bayan Yani"

Satire made in Türkei

In keinem Land gibt es, gemessen an der Zahl der Einwohner, so viele Satire-Magazine wie in der Türkei. Und seit einigen Tagen erscheint sogar eines, das nur von Frauen gemacht wird.

Morgenjournal, 16.04.2011

Christian Schüller, Istanbul

Über sich selbst lachen können

Satiriker haben in der Türkei oft das letzte Wort. Das musste schon vor 100 Jahren der humorlose Sultan Abdülhamid einsehen, der für seine große Nase bekannt war. Weil er über sein Aussehen keine Witze vertrug, ließ er das Wort Nase ganz verbieten. Vergeblich. Was nicht gesagt werden durfte, wurde dann mit umso mehr Begeisterung gezeichnet.

Dass jetzt auch türkische Frauen ein Satiremagazin herausgeben, kann nur einen Besucher aus dem Westen wundern. Denn schon bisher hatten die rund zwanzig regelmäßig erscheinenden Satire-Magazine viele weibliche Mitarbeiter. ‚Bayan Yani‘, so der Name der neuen Zeitschrift, versteht sich nicht als Kampforgan, sondern als Anstoß dazu, über sich selbst zu lachen: Unser einziges Kriterium ist: Wir müssen selbst darüber lachen, während wir es zeichnen, sagt Betül Yilmaz, eine der Jüngeren in einem Redaktionsteam von 19 Frauen. Ich denke: Wir sind genau die gleichen Menschen wie unsere Leser. Wenn ich lache werden die es wohl auch komisch finden…

Eine Familiensache...

Die liebste Zielscheibe der Satirikerinnen sind Frauen, die äußerlich selbstbewusst und modern wirken, aber doch die Denkweise der türkischen Männerwelt an ihre Kinder weiter geben. Manche Comics sind ganz einfach schockierend. Da ist ein Mann zu sehen, der mit einem Messer auf eine Frau losgeht. Von allen Seiten kommen Leute, die ihn besänftigen wollen. Doch als sich herumspricht, dass es sich um die Ehefrau handelt, sagt einer der Umstehenden achselzuckend: Ach so, eine Familiensache: Es sind eigentlich unsere Leserinnen, die von uns verlangen, dass wir das Thema Gewalt gegen Frauen behandeln, sagt Raziye Icoglu, die eine geschriebene Kolumne beisteuert. Es wäre schön, wenn wir damit wenigstens ein bisschen etwas bewegen könnten.

Grenzen ausloten

Das Thema Familie ist in der Türkei, heute wieder mehr denn je, hoch politisch. Die Partei von Ministerpräsident Erdogan will die traditionelle Familienform mit mindestens drei Kindern zur Norm machen. Und Menschen, die sich für eine andere Lebensform entscheiden, werden von Regierungsseite auch gerne verspottet. Darf man sich in einem türkischen Satiremagazin auch über religiöse Fragen lustig machen? Eigentlich gibt es kein Thema, das man nicht behandeln darf, sagt Betül Yilmaz, aber bei manchen Dingen sollte man gewisse Grenzen beachten. Wir versuchen, während wir arbeiten, keine Selbstzensur zu üben, und uns erst nachher zu fragen, ob die eine oder andere Zeichnung unbedingt sein muss.

Der Prophet kommt jedenfalls in der ersten Ausgabe des neuen Satire-Magazins nicht vor. Und auch das Gesicht des Ministerpräsidenten sucht man vergebens. Er hat Satiriker, die ihn in Tiergestalt gezeichnet haben, mehrmals geklagt, ist aber beim Höchstgericht mit seiner Beschwerde abgeblitzt. Wieder einmal hatten also die Satiriker das letzte Wort.