Berlusconis Lieblingsausrede
Wie links ist die italienische Justiz?
In Italien ist Ministerpräsident Silvio Berlusconi ganz mit seinen diversen Strafverfahren beschäftigt. Wenn gar nichts hilft, lässt Berlusconi Gesetze so ändern wie er es gerade braucht. Und er versucht, Staatsanwälte und Richter als Linke darzustellen - als seine politischen Feinde. Aber wie links ist die Justiz in Italien tatsächlich?
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 22.4.2011
Robert Uitz aus Rom
Historisch linke Justiz
Historisch gesehen ist die Justiz in Italien tatsächlich eher links - zumindest im Vergleich zu den meisten anderen Ländern in Europa. Aber Links ist man in den Augen Berlusconis schon, wenn man ihn nicht vorbehaltlos unterstützt, so der bekannte Richter und Buchautor Giancarlo de Cataldo: "Die einen sagen, wenn die Justiz im Einklang mit der Verfassung arbeitet, ist das eine Verschwörung der Linken. Und dann gibt es jene, die meinen, dass, wenn ein Verfahren anhängig ist, es auch durchgeführt werden muss", erklärt Cataldo.
Verfassung verhindert "Umfärben"
Und diese Verfahren gegen Politiker und sonstige Prominenz führen die Staatsanwälte eher furchtlos, denn die Justiz ist der einzige Bereich, der Kraft der Verfassung nicht umgefärbt werden konnte. Denn über Karrieren von Staatsanwälten und Richtern entscheiden in Italien nicht die Politiker, sondern Gremien, die aus den Reihen der Justiz selbst besetzt sind.
Lange Prozesse
Aber was hat es mit der oft unendlichen Dauer von Prozessen auf sich? Ein normales Zivilgerichtsverfahren, das in die Berufung geht, wird durchschnittlich nach 1.549 Tagen abgeschlossen. Auch für den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Vincenzo Carbone, ist das ein Problem. Denn einer Schätzung zu Folge koste das die Unternehmen drei Milliarden Euro pro Jahr, was schlussendlich von allen Kunden bezahlt wird, so Carbone. Er bezeichnet diese Kosten als nicht tolerierbar, wenn die Justiz nicht sicher und zuverlässig Antworten geben kann.
Heerschar an Anwälten
Die Ineffizienz sei jedoch nicht auf unproduktives Verhalten der Richter und Staatsanwälte zurückzuführen, wie die Politik oft suggeriere, so Carbone weiter. Es seien die unzähligen Einspruchs- und Aufschubmöglichkeiten, die das Gesetz vorsehe, und die Heerschar an Rechtsanwälten, die sich darum kümmern. In Italien kommen auf einen Richter 26,4 Anwälte. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 6,9, in Österreich 3,5.
Vorteile nur für Berlusconi
Auch für Richter und Buchautor Giancarlo de Cataldo ist die lange Prozessdauer ein Problem. Müsste er da also nicht dem Prozessverkürzungsgesetz von Berlusconi applaudieren? "Dieses spezielle Gesetz hat nur den einen Sinn: Silvio Berlusconi zu dienen. Es beendet mehrere Prozesse von ihm - hat aber keinen Einfluss auf Mafia-Prozesse", sagt Cataldo.
Das Einzige was wirklich helfen würde, wäre die vielen Einspruchsmöglichkeiten einzudämmen, so die Richter. Dann würden auch die Prozesse kürzer. Nur das würde Silvio Berlusconi persönlich nichts bringen. Also wird es wohl auch nicht passieren.