Keine grundlegende Schengen-Änderung
Brüssel: Reisefreiheit nicht gefährdet
Frankreich hat wegen der 20.000 Tunesier, die in Italien eine vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben, Grenzkontrollen zu Italien wieder eingeführt. Nicolas Sarkozy und Silvio Berlusconi verlangen nun eine Reform des Schengen-Abkommens. Die EU-Kommission in Brüssel stellt Anpassungen, aber keine fundamentalen Änderungen in Aussicht.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 27.04.2011
Flüchtlingswelle als Auslöser
Schengen steht für eine der großen Erfolgsgeschichten der Europäischen Union: Reisen ohne Grenzbalken von Portugal bis Polen, von Italien bis Norwegen. 26 Länder umfasst der Schengenraum. Diese Reisefreiheit stellen Frankreich und Italien nun in Frage - sie wollen angesichts von möglichen Flüchtlingswellen die Grenzen zumindest zeitweise wieder dicht machen. Auslöser sind die 20.000 tunesischen Migranten, die von Italien aus in jedes Schengenland dürfen.
Kommission: Kein Änderungsbedarf
Die EU-Kommission entgegnet, dass schon jetzt jedes Schengenland wieder Grenzkontrollen errichten dürfe, sagt Kommissionssprecher Patrizio Fiorilli: "Ein Land kann die Schengen-Prinzipien vorübergehend aufheben bei vorhersehbaren Ereignissen - denken Sie etwa an die Fußball-EM in Österreich und der Schweiz. Zweitens dürfen Grenzkontrollen auch bei unvorhersehbaren Ereignissen wieder durchgeführt werden, allerdings nur für die Dauer von 30 Tagen und die EU-Kommission bewertet dann, ob die Maßnahmen angemessen waren."
Brüssel will mehr Klarheit
Die Forderung Italiens und Frankreichs richtet sich demnach vor allem an die innenpolitische Konkurrenz von Rechtsaußen, wie Lega Nord und Front National. Schengen selbst aber werde und wurde bisher von keinem Land ernsthaft in Frage gestellt, sagt der Kommissionssprecher. Dennoch plant die EU-Kommission eine Anpassung der Schengen-Kritierien. Es gehe heute nicht mehr nur um die Reisefreiheit der Europäer. Das Schengensystem müsse auch die Migrationsströme berücksichtigen, sagt EU-Kommissionsprecher Patrizio Fiorilli. Nächste Woche will die Kommission ihren Vorschlag präsentieren: "Wir stellen nicht die Schengen-Regeln an sich in Frage, sondern wie diese Regeln angewandt werden - wir wollen mehr Klarheit. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, wer was machen darf. Wir wollen, dass sich die Mitgliedsstaaten schon im Vorfeld auf gemeinsame Vorgangsweisen einigen, um chaotische Zustände zu verhindern."
So könnte festgelegt werden, wie hoch die Zahl der eingereisten Migranten sein müsse, um Grenzkontrollen zeitweise wieder zu erlauben. Derzeit ist das ja Auslegungssache, wie der Streit zwischen Italien und Frankreich eindrucksvoll belegt hat.