Hoffnung auf weniger Gewalt
Afghanistan nach Bin Laden
Nach der Tötung Bin Ladens könnte die Gewalt nicht nur Europa, sondern auch in Pakistan und Afghanistan zunehmen, sorgen sich zwei gebürtige Afghanen. Wadir Safi, Rechtsprofessor an der Universität Kabul, und Mina Wali, Gründerin der Stiftung "Hope of Mother" und Schuldirektorin sprachen in Brüssel über mögliche Reaktionen der Taliban. Racheakte sind nicht ausgeschlossen.
8. April 2017, 21:58
Der Krieg ist nicht zu Ende
Es ist nicht das erste Mal, dass Vertreter der afghanischen Zivilbevölkerung in Brüssel auftreten. Im Frühling 2001 - also kurz vor den Terroranschlägen auf das World Trade Center- haben politische Gegner der Taliban Hilfe erbeten vom Europäischen Parlament. Damals haben sie auch vor einem schweren Terroranschlag gewarnt. Jetzt sind nicht nur die Opfer tot, sondern auch der Anführer ist es. Unter die Freude mischt sich Angst. Wadir Safi lehrt an der Universität Kabul Rechts- und Politikwissenschaften. Er bringt 250 Studierenden Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte näher. Der Tod Osama Bin Ladens bedeute nicht zwangsläufig das Ende des Krieges, sagt Safi. Al Kaida bestehe ja nicht nur aus einer Person. Und bis 2012 würden Bin Ladens Pläne zu Ende ausgeführt werden, erst dann könnte sich der Terror abschwächen.
Frauen kämpfen um Zukunft
Krieg und Gewalt prägen die afghanische Bevölkerung. Seit 1978 wird gekämpft, die amerikanische Intervention nach den Terroranschlägen im September 2010 ist nur die jüngste Phase des Krieges. Drei Generationen hätten bisher "nichts anderes gesehen", sagt Safi. Die Zukunft von Buben ist der Soldatenberuf. Für Mädchen gibt es keine berufliche Zukunft. Mina Wali will dies ändern. Nach 28 Jahren in San Francisco ist die gebürtige Afghanin vor sechs Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt. Sie hat eine Stiftung "Hope of Mother" und eine Schule gegründet. 260 Mädchen und 240 Buben werden derzeit ausgebildet - ein für Afghanistan unübliches Geschlechterverhältnis. Mina Wali musste sich den Zugang zu Bildung für Mädchen von der Taliban-Regierung erkämpfen: "Ich habe ihnen gesagt: Wenn eure Frauen krank werden, wollt ihr doch auch keinen Mann, der sie untersucht. Also wer soll das dann machen?"
Hoffnung auf Änderungen
Die Taliban begingen in Afghanistan systematische Massaker. Sie herrschen seit 1996 und sind nach Angaben der UNO für zwei Drittel der Anschläge auf die Zivilbevölkerung verantwortlich. Der Tod von Osama bin Laden werde Afghanistan verändern, hofft der Politologe Wadir Safi: "Die Bevölkerung in Afghanistan wird sich jetzt hoffentlich gegen Gewalt und für Diplomatie entscheiden. Dann wäre Pakistan im Zugzwang und könnte nicht länger mit Al-Kaida sympathisieren." Doch Zivilcourage braucht neben Mut auch Geld. Die beiden Vertreter aus Afghanistan haben in Brüssel deshalb mit Vertretern der EU-Kommission und des Europaparlaments über konkrete Projekte gesprochen.