Chris Watsons Naturaufnahmen beim donaufestival
Das Krachen des Eises am Südpol
In einigen weltentrückten Gegenden hat der britische Soundkünstler und Tonmeister Chris Watson bereits gearbeitet, doch die Antarktis brachte ihm völlig neue Erfahrungen. In Spezialkleidung und mit dicken Handschuhen, wurden selbst so einfache Handlungen wie das Drücken eines Aufnahmeknopfes zur Herausforderung.
26. April 2017, 12:23
Akustische Landschaften
Chris Watson ist ein international anerkannter Aufnahmemeister von Naturgeräuschen. Seine akustischen Landschaften werden auf CDs veröffentlicht, er arbeitet mit Experimentalmusikern zusammen und macht Tonaufnahmen für Naturfilme der BBC. Mit dem Tierfilmer David Attenborough bereiste er unlängst die Antarktis.
Im Dezember 2011 jährt sich der Tag, an dem die Expeditionsgruppe des Norwegers Roald Amundsen als erste den Südpol erreichte, zum 100. Mal. Erstaunt stellte Chris Watson vor Ort fest, dass am geografischen Südpol die gewohnten Koordinaten von Raum und Zeit praktisch aufgehoben sind:
"Der Südpol ist ein höchst verwunderlicher Ort: Hier kommen alle Zeitzonen an einem Punkt zusammen, man kann die Erde daher in einigen Schritten umrunden. Zeit existiert nicht. Es gibt einen Sonnenaufgang und einen Sonnenuntergang - einmal pro Jahr. Als wir dort waren, gab's durchgehend gleißenden Sonnenschein. Tagein, tagaus kreiste die Sonne über unseren Köpfen."
Geräusche in weiter Ferne
In der Eiswüste ist es - für die Ohren eines Blätterrauschen, Vogelstimmen oder Stadtgeräusche gewohnten Europäers - recht ruhig.
"Es ist natürlich keine totale Stille, die gibt es nur im Vakuum", so Watson. "Man vernimmt winzige Geräusche, etwa wenn der Wind diamantförmige Schneepartikel über das Eis treibt. Dadurch, dass es weder Straßen- noch Luftverkehr gibt, keine Menschen und Maschinen, hört man über Distanzen von mehreren Kilometern. Das ist eine sehr beeindruckende, fast unheimliche Erfahrung: Man hört etwas, in weiter Ferne, ohne die Quelle des Geräusches sehen zu können."
Ungehörte Welten eröffneten sich dem Naturaufnahmekünstler auch unterhalb der Eisoberfläche. Mit einem Hydrophon, einem Unterwassermikrofon, nahm Chris Watson dort Geräusche auf, wo das menschliche Ohr nicht hinkommt. Auch wenn keine Wale singen oder Pinguine schnattern, gibt es im Eismeer eine Menge zu hören.
Pulsierende Gletscher
In Gletscherspalten bahnt sich Eiswasser blubbernd seinen Weg, die langsame Verschiebung von Eisplatten erzeugt pulsierende Geräusche. Was von außen als starre Materie wahrgenommen wird, befindet sich in ständiger Bewegung.
Das Quietschen und Krachen des antarktischen Eises ist ab 4. Mai 2011 auch in der Kunsthalle Krems zu hören. Dort hat Chris Watson für das donaufestival eine Mehrkanal-Klangumgebung installiert.
Mit anderen teilen
Seine Tonaufnahmen, die übrigens auch im National Sound Archive der British Library gesammelt werden, macht Chris Watson am liebsten alleine und mit hochwertiger Ausrüstung, die möglichst unauffällig in die Natur integriert wird. So sehr er in Aufnahmesituationen seine Anwesenheit zurückzunehmen versucht, so gerne teilt er die akustischen Naturerlebnisse mit anderen, so auch bei seiner Performance am Samstag, 7. Mai 2011, in Krems.
"Bei Feldaufnahmen in der Natur bin ich voll konzentriert, ich kann niemanden um mich haben", sagt Watson. "Ich mag die Einsamkeit und die Selbstbezogenheit dabei. Dennoch: Zweck des ganzen Aufwandes ist es, die Aufnahmen mit anderen zu teilen, ob mittels Radio, Fernsehen, als Präsentation vor Publikum."