Ein Geben und ein Nehmen

Willy Puchner über die Vergänglichkeit

"Das Wort 'Begegnung' ist mir immer wichtig gewesen, weil ich das Gefühl habe, das ist Austausch." Willy Puchner, Fotograf, Autor, Maler, Zeichner und Weltreisender. Soeben wurde der vielseitige Künstler von der Interessensgemeinschaft für zeitgenössische Kunst auch zum "Kunst-Mediator 2011" gekürt.

Kunst vermittelt Willy Puchner, indem er etwa im Feuilleton der "Wiener Zeitung" Woche für Woche junge oder wenig beachtete Künstler und Künstlerinnen vorstellt. Und Kunst vermittelt Puchner selbstredend auch in eigener Sache. Um dem Betrachter, der Betrachterin eine Zeichnung, eine Fotografie, eine Reisegeschichte nahezubringen, muss eine Begegnung - ein Austausch - stattfinden: ein Geben und ein Nehmen, so Willi Puchner, der Mediator. Und um etwas weitergeben zu können, muss ein Künstler zuvor selbst davon im Innersten berührt worden sein. Es ist schon lange her, so Willi Puchner, es war die Zeit, als er eben angefangen hatte, zu fotografieren, da gab es einen Moment, der seinen Blick auf die Welt schlagartig veränderte - er wurde tief berührt:

"Und zwar war ich auf einem Teich - eigentlich war es ein Müllplatz, in der Nähe von Mistelbach, der war mit Chemikalien und bestimmten Farben eine einzige Umweltkatastrophe, aber das habe ich alles nicht wahrgenommen, sondern was ich wahrgenommen habe, das waren die Kleider, die Töpfe und Gegenstände, die dahin rotteten."

Willy Puchner, Fotograf

Indem ich der Welt begegne, schaffe ich etwas, was für mich beruhigend ist.

Die Farben des Alterns

Das Weggeworfene war es, das Willy Puchner faszinierte. Indem die Gegenstände weggeworfen, zu Gerümpel wurden, entwickelten sie ein Eigenleben. Plötzlich sah Puchner die Welt aus einem anderen Blickwinkel: "Diese Töpfe haben ganz bestimmte Farben gehabt - die Farben des Alterns. Ich empfand das damals nicht intellektuell, sondern als ein ganz starkes Glücksgefühl, dass ich das an so einem kleinen Gegenstand wahrnehmen konnte, dass wir alle einmal dahinscheiden."

Er habe schon zuvor eine gewisse Sensibilität für Vergänglichkeit und Morbidität entwickelt, erzählt Willy Puchner, weil er in jungen Jahren körperlich sehr labil war, empfindsam im körperlichen wie auch im seelischen Sinn:

"Ich habe schon mit 15, 17 - bevor ich zu diesem Teich gekommen bin - Gehirnhautentzündung gehabt, und mit dieser Krankheit ist mir etwas passiert: Ich bin damals schon gestorben. Man hat mich wiederbelebt, aber vielleicht ist dieser Zustand der Schwebe und die Wahrnehmung von Dingen, die auch in der Schwebe sind, etwas, das mit meiner eigenen Geschichte zu tun hat."

Eine Trommel Waschmittel als Preis

Kunst ist für Willy Puchner die Begegnung mit einer oft verborgenen Welt, und sie ist der Versuch, seine eigene Geschichte zu verstehen: "Indem ich der Welt begegne, schaffe ich etwas, was für mich beruhigend ist und gleichzeitig eine Lösung herbeiführt. Begegnung ist ganz wichtig für einen Künstler, weil er etwas macht und sich nicht zurückzieht. Ich will aus mir raus und der Welt begegnen - und schauen, was das alles mit mir macht."

Die Fotos, die Puchner von jenem See gemacht hat, brachten übrigens die erste Auszeichnung seiner künstlerischen Laufbahn mit sich. "Lustigerweise habe ich die Bilder damals eingeschickt, und zwar bei einem Wettbewerb in einer Radiosendung von Maxi Böhm, der aufgefordert hatte, Bilder zu schicken, die mit Sauberkeit zu tun haben. Ich habe meine Fotos trotzdem eingeschickt, obwohl es ja um Umweltverschmutzung ging, und habe eine Familientrommel Waschpulver gewonnen."

Schabernack und Lust

Ob der Ölsee heute noch existiert, ist ungewiss, das Thema Vergänglichkeit, das sich seitdem durch das Werk Willy Puchners zieht, ist geblieben. Auch wenn sich zur Bestürzung darüber ein Lächeln hinzu gesellt hat:

"In meine Arbeit hat sich im Lauf der Jahre eine bestimmte Ironie eingeschlichen. Wo früher Schwermut war, offenbart sich jetzt Schabernack oder Lust. Über diesen Weg - gleichsam mithilfe einer Falle - führe ich den, der das Bild betrachtet, in die Vergänglichkeit hinein."

service

Willy Puchner