Massenproteste in Griechenland

"Sie demonstrieren für eine bessere Zukunft"

Spannung herrscht in Griechenland vor der geplanten Parlamentsabstimmung in Griechenland über das Sparpaket. Die regierenden Sozialisten dürften das Paket knapp durchbringen. Eine Entscheidung wird für Mittwochabend erwartet. Die meisten Menschen in Griechenland schreien ihren Volksvertretern ein "Nein" entgegen.

"Die Menschen können sich entweder Essen leisten oder Medikamente."

ORF-Korrespondentin Alkyone Karamanolis im Gespräch mit Wolfgang Wittmann.

Fernsehbilder nicht repräsentativ

Die Bürger, die sich auf zahlreichen Plätzen in Griechenland versammeln, würden sich dezidiert nicht zu irgendwelchen Gewerkschaften oder Parteien bekennen, sagt ORF-Korrespondentin Alkione Karamanolis: "Das sind einfach Menschen, die ihre eigenen Forderungen vorbringen."

Im Fernsehen werden meist Bilder vom Syntagma-Platz gezeigt, mit brennenden Mistkübeln und eingeschlagenen Hotelscheiben. Tatsächlich sei dieses Bild aber nicht repräsentativ für die Situation in Griechenland, betont Karamanolis. Es gebe eine kleine Gruppe von Autonomen, die immer wieder am Rande von großen Demonstrationen auftauche.

Doch die dürfe man nicht in einen Topf werfen mit den zehntausenden Menschen, die für das demonstrieren, was sie für eine bessere Zukunft halten: "Die Fernsehbilder greifen natürlich dann, wenn es etwas zu sehen gibt und was los ist. Wenn da zehntausende Menschen Tag für Tag stehen und sich unterhalten, sehen wir das weniger als wenn einmal Steine und Molotow-Cocktails fliegen." Das seien herausgehobene Einzelmomente.

Am Ende der Belastbarkeit

In zahlreichen Städten kommen jeden Abend Menschen zusammen und diskutieren. Es gibt offene Bürgerversammlungen, in denen besprochen wird, wie es weitergehen könne. "Da wird viel geredet über einen Kassensturz. Die Menschen fordern, dass ihnen erklärt wird, wie sich diese Schulden zusammensetzen. Sie wollen wissen, wem sie wie viel schulden und warum. Und dann wollen sie verhandeln, was davon zurückgezahlt werden soll und was nicht", erzählt Karamanolis. Diese Bewegung gewinne gerade sehr an Boden.

Sollte das Sparpaket im Parlament durchgehen, so sei mit weiteren Protesten zu rechnen, glaubt die ORF-Korrespondentin, denn der Druck auf die Leute sei einfach zu groß. Schon jetzt müssten immer Griechen medizinische Notdienste in Anspruch nehmen, die eigentlich für illegale Ausländer ohne Versicherung gedacht seien: "Die Menschen können sich entweder das Essen leisten oder Medikamente, aber nicht beides." Viele Menschen seien am Ende ihrer psychischen und finanziellen Belastbarkeit angelangt.

Bürger verlieren Vertrauen in Politik

Der Chef der griechischen Nationalbank sagte, eine Ablehnung des Sparpakets wäre Selbstmord. Wie es aussieht, dürfte aber eine Annahme des Pakets zum Selbstmord für die Regierungspartei werden. Alkione Karamanolis rechnet damit, dass es demnächst zu Neuwahlen kommen könnte.

Was dann folge, sei aber mehr als ungewiss. Manche sprechen von einer "Regierung der Technokraten". Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass viele kleine Parteien großen Zuwachs bekommen, was die Bildung einer Regierungsmehrheit erschweren könnte. Das Grundproblem sei aber, so Karamanolis: "dass die Politiker insgesamt bei den Bürgern ihre Glaubwürdigkeit verloren haben."