Eine postjugoslawische Ansichtskarte aus Zagreb
Die Kunst der Aufarbeitung
"Aus jugoslawischer Kunst ist kroatische Kunst geworden. Nicht nur an den Höheren Schulen auch an der Universität im Fach Kunstgeschichte, geht es um kroatische Kunst in diesem Jahrhundert, in jenem Jahrhundert und so weiter."
8. April 2017, 21:58
"Die ganze Vergangenheit wurde gelöscht, beziehungsweise re-interpretiert. Aber es gibt auch viele Initiativen, Künstler und Kuratoren, die mit ihrer Arbeit diese Geschichtsschreibung hinterfragen."
Ivana Bago, 1979 in Bosnien Herzegowina geboren, lebt als Künstlerin und Kuratorin in Zagreb. Sie erinnert sich gut an ihre Kindheit im ehemaligen Jugoslawien. Ihre Familie sei sehr offen gewesen, ethnisch gemischte Ehen waren normal. Ivana war eine gute Schülerin und davon überzeugt einmal in Sarajevo, der Hauptstadt ihrer Republik zu studieren. Es kam anders. Als der erste Krieg ausbrach war sie zwölf Jahre alt.
Omarska – Mine und Gefangenlager
Ivana Bago studierte in Zagreb Kunstgeschichte, sowie Englische Sprach- und Literaturwissenschaft. Sie arbeitet als Kuratorin für die "Galerija Miroslav Kraljević" einer unabhängigen, non-profit Galerie für zeitgenössische Kunst in Zagreb. Gemeinsam mit Antonia Majaca kuratierte sie eine Gruppen-Ausstellung in Banja Luka, in Bosnien Herzegowina. Eines der Projekte drehte sich um Omarska in der Republik Srpska, dort gab es während des Bosnienkriegs Gefangenenlager für die nicht serbische Bevölkerung.
"Die vier Gesichter von Omarska beschäftigten sich nicht nur mit der jüngeren Vergangenheit, sondern auch mit der Sozialistischen. Omarska war in Jugoslawien eine berühmte Mine zur Eisengewinnung, also ein Teil des Projekts widmete sich der Arbeiterselbstverwaltung und der Wirtschaft. Der Diskurs war aber auch aufgeheizt, weil in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Gefangenenlager und den Massengräber der 90er Jahre ein neuer serbischer Blockbuster-Film gedreht wurde. Das wirft natürlich Fragen auf, was passiert heute, wird dieses Drama durch ein Spektakel unsichtbar gemacht, was ist die Rolle der Kultur und wie verwandelt Kultur einfach alles in ein Spektakel, das Erinnerungen auslöscht und somit zu einer Amnesie führt", sagt Ivana Bago.
Kuratorinnenkollektiv WHW
“Was, Wie und für Wen” sind die Fragen die das Kuratorinnenkollektiv WHW bereits im Namen integriert hat. “What, How and for Whom” wurde 1999 gegründet. Der Anstoß kam von Arkzin, der einzigen kritischen Zeitung, die in den 1990er Jahren gegen den Krieg und gegen die nationalistische Propaganda in Kroatien anschrieb.
In Zagreb betreibt WHW die unabhängige, non-profit Gallerie Nova. Viele ihrer Ausstellungen widmen sich einst renommierten, jetzt aber eher vergessenen Künstlern aus dem ehemaligen Jugoslawien. Einer der wichtigsten Bildhauer und Architekten des sozialistischen Modernismus war Vojin Bakic. Viele seiner abstrakten Großskulpturen waren in den 1990er Jahren Angriffsziele nationalistischer Attacken.
Der Wandel von Bedeutungen
Eines der bekanntesten Monumente ist in Petrova Gora, das zwischen 1991 und 1995 stark zerstört wurde. Errichtet zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs pilgerte zu jugoslawischen Zeiten jede Schulklasse zu dem Monument, das aussieht wie ein Stück Hirn, oder wie Knochenmarks-Scheiben, die zu einem silbrigen Turm geschichtet sind. Heute ist es ruhig geworden im historischen "Petrova Gora Memorial Park".
"Antifaschistische Denkmäler in Kroatien wurden gleichgesetzt mit Kommunismus, und Kommunismus - naja um es weniger politisch korrekt zu sagen, Kommunismus stand für die Serben. Es waren tausende Denkmäler, die in den 90er Jahren gesprengt wurden, darunter auch einige bahnbrechende Werke von Vojin Bakic, riesige öffentliche Skulpturen, die in jahrelanger Arbeit angefertigt wurden und zu dieser Zeit eine große Herausforderung darstellten. Eines seiner Monumente, das dem Sieg gegen den Faschismus in dieser Region gewidmet war, galt damals sogar als die größte abstrakte Skulptur in ganz Europa! Wir wollten mit unserer Ausstellung die Frage stellen, wie das passieren konnte, dass sie zerstört wurde ohne dass jemand seine Stimme erhoben hat und wie es dazu kommen konnte, dass Anti-Faschismus in der Gesellschaft so einen negativen Stellenwert hat", berichtet Ivet Curlin, Mitglied des Kuratorinnenkollektivs WHW.