Libyen-Kontaktgruppe tagt heute in Istanbul

Gaddafi droht mit Marsch auf Bengasi

In Libyen scheint Machthaber Muammar al-Gaddafi trotz internationalen Drucks, trotz täglicher NATO-Angriffe aus der Luft und trotz der unverminderten Kampfbereitschaft der Rebellen in Tripolis weiterhin fest im Sattel zu sitzen. Die Lage im Land ist machtpolitisch festgefahren, und das seit Monaten.

Mittagsjournal, 15.7.2011

Karin Koller

Drastische Rhetorik

Im Osten Libyens haben die Rebellen die Oberhand, im westlichen Teil des Landes und vor allem in Tripolis sind es Gaddafi und seine Leute.

Gaddafi versucht einmal mehr, mit drastischer Rhetorik seine Leute bei der Stange zu halten. In einer Fernsehrede, übrigens der dritten seit Anfang des Monats, hat Gaddafi gestern Abend den Marsch auf die Rebellenhochburg Bengasi angekündigt.

"Bis zum letzten Blutstropfen"

Gaddafi wettert, Gaddafi beschwört, Gaddafi fordert zum großen Kampf gegen die Kreuzritter der NATO auf, wie er sagt. "Ich werde bis zum letzten Blutstropfen kämpfen", sagt Gaddafi und macht dabei klar, dass er dies auch von seinen Untertanen ebenso verlangt.

Und Gaddafi ruft zum Marsch auf Bengasi, der Rebellenhochburg im Osten Libyens, auf. "Wir Libyer können Millionen Freiwillige mobilisieren, aus Afrika, aus der arabischen Welt." Die NATO-Staaten bezeichnet er als Feiglinge. Zu sehen ist Gaddafi bei der Ansprache aber nicht. Er ist bloß zu hören, dazu werden Bilder von fahnenschwingenden Gaddafi-Anhängern in den Straßen von Tripolis gezeigt.

Drohung gegen Italien

Das libysche Fernsehen zeigte auch Bilder von einem Treffen von Stammesführern, die allesamt dem Pro-Gaddafi-Lager zuzurechnen sind.
Mit Bildern wie diesen will das Regime die Einheit Libyens heraufbeschwören. "Wir sitzen hier fest im Sattel", soll das heißen. So ist auch die Drohung von Libyens Premier Baghdadi Mahmoudi gegenüber Italien zu verstehen: Die Regierung in Rom könne nun das libysche Öl vergessen, so Mahmoudi.

Dass Italien an diesem Öl gar nicht interessiert ist, wie Italiens Außenminister Franco Frattini kontert, darauf geht der libysche Premier nicht ein.

Rebellenvorstöße zurückgeschlagen

Patriotische und kämpferische Rhetorik soll die immer mehr zutage tretenden Schwächen des Gaddafi-Regimes wohl überdecken. Lebensmittelknappheit und Energiemangel gehören zum Alltag in Tripolis, vor den Tankstellen bilden sich kilometerlange Schlangen.

Militärisch herrscht eine Pattsituation zwischen den Rebellen und der Gaddafi-Armee. Die Rebellen berichten zwar von Vorstößen im Süden von Tripolis beziehungsweise kündigen Angriffe auf die strategisch wichtige Ölhafenstadt Brega an, es sind aber Vorstöße, die von den Gaddafi-Leuten bisher zurückgeschlagen wurden.

Außenminister-Treffen in Istanbul

Die NATO-Lufteinsätze bringen da keine Entscheidung. Seit vier Monaten werden militärische Stellungen der Gaddafi-Armee bombardiert, 2.500 Angriffe hat die NATO hier bisher geflogen. Eine Wende, wie sie die Rebellen und wohl auch die NATO erhofften, ist aber bisher ausgeblieben. In einigen NATO-Staaten wächst die Ungeduld.

Daran wird auch das heutige Treffen der Libyen-Kontaktgruppe in Istanbul wohl nichts ändern. Zum vierten Mal treffen sich an die 15 Außenminister, allen voran US-Außenministerin Hillary Clinton, um über die Zukunft Libyens nach Gaddafi zu sprechen.