Um Währungsunion zu retten
Deutscher "Weiser" für Schuldenerlass
Während in Brüssel die Staats- und Regierungschefs über verschiedene Lösungsmodelle beraten, melden sich in Deutschland die wichtigsten Wirtschaftsforscher zu Wort. Der Präsident des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, ein Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, plädiert dafür, Griechenland einen Teil der Schuld zu erlassen. Die Währungsunion sei in Gefahr.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 21.07.2011
"Ich nehme die Cholera"
Womit ist Griechenland mehr geholfen - mit neuen Krediten oder indem man dem Land einen Teil der alten Schulden erlässt? Wie groß die Qual der Wahl ist, beschreibt Wolfgang Franz, Präsident des deutschen Sachverständigenrates, Wirtschaftsberater der deutschen Bundesregierung, so: "Das ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Und da nehme ich natürlich die Cholera, weil ich da eine Überlebenschance habe."
Zwei Arten der Pest
Es gibt zwei Varianten der Pest, sagt Franz. Die erste wäre den Griechen immer mehr Geld zu leihen, das wäre sehr teuer für Europa. Die zweite Variante: Griechenland schlittert in die Pleite und es kommt zu einem unkontrollierten Zahlungsausfall. "Und beide hätten die Gefahr zur Folge, dass uns die Währungsunion um die Ohren fliegt."
Teilerlass der Schulden
Die Pest gilt es also zu vermeiden, deshalb sei es unumgänglich den Griechen einen Teil ihrer Schuld zu erlassen, sagt Franz, das sei quasi die Behandlung der Cholera. Es sei "höchst unwahrscheinlich, dass es Griechenland aus eigener Kraft ohne einen Schuldenschnitt schafft, von der Schuldenstandsquote von 160 bis 170 Prozent des Bruttoinlandsprodukts herunterzukommen."
Tausch gegen Euro-Anleihen
Die Empfehlung von Franz lautet daher: "Der Rettungsschirm tauscht griechische Staatsanleihen von privaten Gläubigern gegen Anleihen, die er selbst ausgibt und für die er selbst geradesteht - die also letztlich garantiert werden von allen Euro-Staaten, die dann ein entsprechendes Rating von den Rating-Agenturen bekommen." Die Anleihen würden allerdings nur zu 50 Prozent umgetauscht. Es geht dabei um alle ausstehenden griechischen Staatsanleihen. Der alte griechische Schuldenberg würde damit von derzeit 160 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 110 Prozent reduziert werden. Offen ist allerdings, ob alle Banken auch wirklich alle ihre Anleihen verkaufen wollen.
Überzeugende Lösung notwendig
Die Sorge, dass die Ratingagenturen diesen Schuldenerlass als Zahlungsausfall bewerten, und dass dadurch auch andere verschuldete Länder in noch mehr Finanzierungsschwierigkeiten kommen, besteht, sagt Franz. Aber je überzeugender jetzt der Lösungsvorschlag beim Sondergipfel ausfällt, um so geringer werde die Ansteckungsgefahr.
Die Währungsunion steht auf dem Spiel, sagt Franz. Der Schuldenerlass über den Rettungsfonds ist also seiner Meinung nach die Behandlung für die "Cholera", an der Europa leidet - nur mit dieser Behandlung bestehe eine Überlebenschance.